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Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)

Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)

Titel: Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher , Oliver Graute
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untere Ende eines Bettes, das ungefähr so groß wie ein Eisenbahnwaggon sein mochte.
    Außerdem erkannte ich an den Wänden rotschwarze Blutspuren.
    „Treten Sie ein, Harry Dresden“, rief eine leise, vom Alter brüchig gewordene Stimme. „Wir machen gerade eine Pause und warten auf Sie.“
    Das Schlafzimmer war der Tatort – unverändert.
    Als erstes schlug mir der Gestank entgegen. LaFortier war nun schon ein paar Tage tot, und kaum hatte ich die Schwelle zu seinem Zimmer übertreten, als sich mir auch schon der Gestank von Tod und Verwesung auf Mund und Nase legte. Überall war Blut. LaFortier lag neben dem Bett auf dem Boden, in seiner Kehle klaffte ein weit offenes Loch, und er war über und über mit einer schwarzbraunen Kruste aus getrocknetem Blut überzogen. An seinen Händen konnte ich Abwehrspuren erkennen, kleinere Versionen des tiefen Einschnitts in seinem Hals. Gut möglich, dass sein Oberkörper weitere Schnitte aufwies, aber das ließ sich unter der Kruste auf den ersten Blick nicht erkennen.
    Ehe ich mich weiter umsehen konnte, musste ich einen Moment lang die Augen schließen, um einen heftigen Brechreiz zu überwinden.
    Man hatte mit Goldfarbe einen perfekten Kreis um die Leiche gezogen. Auf der goldenen Linie standen, jeweils in gleichen Abständen, fünf brennende, weiße Kerzen. Ebenfalls an fünf Punkten, auf halber Strecke zwischen einer Kerze und der anderen, brannten Räucherstäbchen – und ich kann Ihnen gern verraten, dass der Duft von brennendem Sandelholz echt nicht zu einer verwesenden Leiche passte. Er machte ihren Gestank nur noch unerträglicher.
    Da stand ich nun und sah auf LaFortier hinunter. Er war ein glatzköpfiger Mann gewesen, kaum größer als der Durchschnitt und dünn wie ein Skelett. Jetzt allerdings wirkte er nicht mehr dünn, denn in seinem Leib waren Gase tätig und hatten angefangen, die Leiche aufzublähen. Schon spannten die Knöpfe vorn am Oberhemd. LaFortiers Rücken war durchgebogen, die Hände zu Klauen erstarrt. Die Zähne lagen bloß, der Mund war zu einer Grimasse verzerrt.
    „Er hatte einen schweren Tod“, sagte die altersbrüchige Stimme, und „Indianerjoe“ Lauscht-dem-Wind, der sich gerade an einem Handtuch die Hände abtrocknete, trat aus einer Tür, die wohl zum Badezimmer führte. Sein langes Haar war grau-weiß mit einzelnen noch verbliebenen dunklen Strähnen, die Haut zeigte den Bronzeschimmer des amerikanischen Ureinwohners, der viel Zeit an der Sonne verbrachte, und unter den weißen Brauen glitzerten dunkle Augen. Lauscht-dem-Wind trug ausgeblichene Jeans, Mokassinstiefel und ein altes Aerosmith-T-Shirt. Quer über die Brust schlang sich ein Gürtel, an dem ein Lederbeutel mit Fransen hing, und ein ähnlicher, kleinerer Lederbeutel baumelte an einem Lederband, das er um den Hals trug. „Hallo, Harry Dresden.“
    Ich neigte respektvoll den Kopf. Indianerjoe galt allgemein als der leistungsfähigste Heiler im Rat, vielleicht sogar auf der ganzen Welt. Er hatte im Laufe seiner langen Jahre an zwanzig verschiedenen Universitäten in Medizin promoviert und drückte alle zehn oder zwanzig Jahre erneut die akademische Schulbank, um bei den modernen Heilmethoden auf aktuellem Stand zu bleiben. „Ja, einen schweren Tod.“ Ich wies mit dem Kinn auf LaFortier. „Kampflos ist er jedenfalls nicht untergegangen.“
    Indianerjoe betrachtete die Leiche einen Moment lang mit traurigem Blick. „Ich möchte ja lieber im Schlaf gehen“, sagte er, „und Sie?“
    „Ich wünsche mir, dass ein Elefant auf mich tritt. Während ich es gerade wild mit einem Cheerleadertrio aus eineiigen Drillingen treibe“, sagte ich.
    Das Lachen, das mein Spruch erntete, wischte gut ein oder zwei Jahrhunderte Sorgen und Kummer aus dem weisen Gesicht. „Spannend. Ich kannte eine Menge Kids, die ewig leben wollten.“ Indianerjoes Lächeln verschwand rasch wieder, als er sich erneut auf den Toten konzentrierte, der vor uns auf dem Boden lag. „Möglicherweise läuft es eines Tages ja darauf hinaus. Möglicherweise aber auch nicht. Zum Leben gehört auch das Sterben.“
    Was sollte ich dazu sagen? Also hielt ich die Klappe. „Was bauen Sie hier gerade auf?“, erkundigte ich mich nach einer kleinen Weile vorsichtig.
    „Sein Tod hat eine Markierung hinterlassen“, antwortete der alte Magier. „Wir werden die psychischen Rückstände wieder zu einem Bild zusammensetzen.“
    Ich zog die Brauen hoch. „Das geht?“
    „Normalerweise nicht“, erklärte Indianerjoe.

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