Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
bedürfen, und ich habe drei weitere ...“ Er jonglierte mit der Ladung in seinen Armen, bis er einen Blick in einen der Ordner werfen konnte. „Ich muss mich korrigieren: Ich habe vier weitere Vorgänge hier.“
Indianerjoe seufzte noch einmal. „Dann wollen wir mal.“ Die beiden gingen zur Treppe, die zur Galerie führte, wandten sich in die entgegengesetzte Richtung von der, die ich vorhin eingeschlagen hatte, und verschwanden in einem Gemach am hintersten Ende des Balkons.
Ich wartete, bis sie nicht mehr zu sehen waren, ehe ich ins Erdgeschoss hinunterstieg.
Der Merlin hatte es sich in einem Sessel in Büfettnähe bequem gemacht und aß. Mein Anblick ließ ihn kurz erstarren, aber dann setzte er seine Mahlzeit in aller Seelenruhe fort. Ein bizarrer Anblick. Ich mochte den Merlin genauso wenig, wie ich einen akuten Fall von Gonorrhö gemocht hätte, hatte ihn aber noch nie privat erlebt, sondern immer nur als Oberhaupt einer Ratsversammlung, als weit entrückte Figur, als Verkörperung absoluter, unbarmherziger Autorität und Macht.
Auf die Idee, er könnte von Zeit zu Zeit Butterbrote zu sich nehmen wollen, wäre ich ehrlich gesagt nie gekommen.
Ich war schon fast an ihm vorbei, als ich einen raschen Schlenker hinlegte und mich vor ihm aufbaute.
Der Merlin aß ungerührt das belegte Brot auf. Erst dann blickte er auf. „Na, sind Sie gekommen, um sich der Schadenfreude hinzugeben?“
„Nein“, sagte ich leise und ruhig. „Ich bin hier, um Ihnen zu helfen.“
Das Stück Käse, in das der Merlin gerade hatte beißen wollen, landete auf dem Boden. Ein eiserner Blick aus prüfend zusammengekniffenen Augen richtete sich auf mich. „Bitte?“
Ich bleckte die Zähne zu einem kleinen, kalten Lächeln. „Ich weiß. Schon das zu sagen fühlt sich an, als poliere mir jemand das Zahnfleisch mit einer Käsereibe.“
Der Merlin betrachtete mich fast eine Minute lang schweigend, bevor er langsam und tief Luft holte, sich im Sessel zurücklehnte und fragte: „Warum sollte ich glauben, Sie wollten mir ernsthaft helfen?“
„Weil Ihnen die Eier im Schraubstock festsitzen und ich der Einzige bin, der sie da wieder rausholen kann.“
Eine einzelne, elegante Silberbraue schoss in die Höhe.
„Gut“, sagte ich. „Das ist jetzt einen Tick homoerotischer rübergekommen als geplant.“
„Das sehe ich auch so“, meinte der Merlin trocken.
„Morgan kann sich nicht ewig verstecken, dass wissen Sie. Irgendwann finden die Wächter ihn. Der Prozess gegen ihn wird über den Daumen gepeilt zwei Sekunden in Anspruch nehmen. Dann fällt er hin, seine Krone geht kaputt, und Ihre politische Karriere stürzt gleich hinterher. Wie in dem Kinderreim von Jack und Jill.“
Der Merlin dachte kurz nach, ehe er entspannt die Achseln zuckte. „Ich glaube nicht, dass Sie mir oder Morgan helfen wollen. Ich glaube, Sie unternehmen alle möglichen Anstrengungen, um sicherzustellen, dass Morgan auf keinen Fall überlebt.“
„Ich arbeite gern besser, nicht härter“, sagte ich. „Wenn ich ihn tot sehen wollte, bräuchte ich bloß in der Gegend herumzustehen und Beifall zu spenden. Seine Situation lässt sich ja wohl kaum noch verschlimmern, warum sollte ich mich da einmischen?“
„Oh“, sagte der Merlin, „Sie sind Meister im Einmischen. Einen Grund wird es schon geben.“
„Man sucht doch schon nach Morgan, jagt ihn praktisch. Der halbe Rat verlangt lautstark nach seinem Kopf. Alle vorliegenden Beweise sprechen gegen ihn, habe ich mir sagen lassen, und was ich unter Umständen herausfinden könnte, würde man doch auch gegen ihn verwenden, weil alle wissen, wie wir zueinander stehen.“ Ich zuckte die Achseln. „Derzeit kann ich keinen weiteren Schaden anrichten. Was haben Sie also zu verlieren?“
Er rang sich die Andeutung eines Lächelns ab. „Nehmen wir mal an, ich wollte mir von Ihnen helfen lassen. Was wollen Sie von mir?“
„Eine Kopie der Ermittlungsakte“, sagte ich schnell. „Alles, was über den Tod LaFortiers und Morgans Beteiligung daran bekannt ist. Alles.“
„Was haben Sie mit diesen Unterlagen vor?“
„Rausfinden, wer LaFortier umgebracht hat.“
„Einfach so.“
Ich dachte nach. „Ja. Irgendwie schon.“
Der Merlin nahm sich ein neues Stück Käse, biss einen Happen ab und kaute langsam und nachdrücklich. „Wenn meine eigenen Nachforschungen Ergebnisse bringen“, sagte er dann, „brauche ich Ihre Hilfe nicht.“
„Oh doch. Jeder weiß, dass Sie versuchen werden, Morgan zu
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