Harry Potter - Gesamtausgabe
Hestia und auch sie ergriff seine Hand. »Unsere Gedanken sind bei dir.«
»Ich hoffe, alles ist okay«, sagte Harry mit einem raschen Blick auf Tante Petunia und Dudley.
»Oh, ich bin sicher, dass wir die dicksten Freunde werden«, sagte Diggel munter und schwenkte seinen Hut, während er das Zimmer verließ. Hestia folgte ihm.
Dudley löste sich sanft aus der Umklammerung seiner Mutter und ging auf Harry zu, der sich stark zurückhalten musste, ihn nicht mit Zauberei zu bedrohen. Dann streckte Dudley seine große rosa Hand aus.
»Wahnsinn, Dudley«, sagte Harry über Tante Petunias neuerliches Schluchzen hinweg, »haben dir die Dementoren eine andere Persönlichkeit eingehaucht?«
»Weiß nich«, nuschelte Dudley. »Bis dann, Harry.«
»Jaah …«, sagte Harry, nahm Dudleys Hand und schüttelte sie. »Vielleicht. Pass auf dich auf, Big D.«
Dudley lächelte fast, dann ging er schleppend aus dem Zimmer. Harry hörte seine schweren Schritte auf dem Kiesweg und dann schlug eine Autotür zu.
Tante Petunia, deren Gesicht in ihrem Taschentuch vergraben gewesen war, wandte sich bei dem Geräusch um. Offenbar hatte sie nicht erwartet, nun mit Harry allein zu sein. Hastig stopfte sie das nasse Tuch in ihre Tasche, sagte: »Also – auf Wiedersehen«, und marschierte zur Tür, ohne ihn anzuschauen.
»Auf Wiedersehen«, sagte Harry.
Sie blieb stehen und drehte sich um. Einen Moment lang hatte Harry das höchst seltsame Gefühl, dass sie ihm etwas sagen wollte: Sie warf ihm einen merkwürdigen zaghaften Blick zu, und es schien ihr schon etwas auf der Zunge zu liegen, doch dann hastete sie mit einem leichten Zucken des Kopfes ihrem Ehegatten und ihrem Sohn hinterher aus dem Zimmer.
Die sieben Potters
Harry rannte die Treppe hoch in sein Zimmer zurück und erreichte gerade noch rechtzeitig das Fenster, um den Wagen der Dursleys aus der Zufahrt hinaus- und auf der Straße davonrauschen zu sehen. Dädalus’ Zylinder war zwischen Tante Petunia und Dudley auf dem Rücksitz sichtbar. Der Wagen bog am Ende des Ligusterwegs nach rechts ab, die Fenster flammten in der gerade untergehenden Sonne für einen Moment scharlachrot auf, dann war er verschwunden.
Harry nahm Hedwigs Käfig, seinen Feuerblitz und den Rucksack, ließ ein letztes Mal den Blick durch sein ungewohnt ordentliches Zimmer schweifen und stieg dann ungelenk zurück hinunter in den Flur, wo er Käfig, Besen und Rucksack am Fuß der Treppe abstellte. Das Licht schwand nun rasch, der Flur war voller Schatten in der Abenddämmerung. Es war ein äußerst merkwürdiges Gefühl für ihn, in der Stille dazustehen und zu wissen, dass er das Haus gleich zum letzten Mal verlassen würde. Vor langer Zeit, als die Dursleys ihn allein gelassen hatten, während sie ausgegangen waren, um sich zu vergnügen, waren die Stunden der Einsamkeit ein seltener Genuss gewesen: Er war nach oben gerannt, um auf Dudleys Computer zu spielen, und hatte nur Pause gemacht, um etwas aus dem Kühlschrank zu stibitzen, oder er hatte den Fernseher eingeschaltet und nach Lust und Laune durch die Kanäle gezappt. Wenn er sich diese Zeiten ins Gedächtnis rief, fühlte er eine sonderbare Leere; es war, als ob er sich an einen jüngeren Bruder erinnerte, den er verloren hatte.
»Möchtest du dir das Haus nicht noch einmal ansehen?«, fragte er Hedwig, die den Kopf immer noch schmollend unter einen Flügel gesteckt hatte. »Wir kommen hier nie wieder her. Willst du dich nicht an all die guten Zeiten erinnern? Ich meine, schau dir diese Türmatte an. Was für Erinnerungen … Dudley hat da draufgekotzt, als ich ihn vor den Dementoren gerettet habe … Am Ende war er dann doch dankbar, hättest du das gedacht? … Und letzten Sommer kam Dumbledore durch diese Haustür …«
Harry verlor für einen Moment den Faden, und Hedwig half ihm nicht, ihn wiederzufinden, sondern blieb weiter mit dem Kopf unter dem Flügel sitzen. Harry wandte der Haustür den Rücken zu.
»Und hier drunter, Hedwig –«, Harry zog eine Tür unter der Treppe auf, »hier hab ich immer geschlafen! Da hast du mich noch gar nicht gekannt – Wahnsinn, ist das eng, das hatte ich schon vergessen …«
Harrys Augen wanderten über die aufgestapelten Schuhe und Schirme, und er erinnerte sich daran, wie er jeden Morgen mit Blick auf die Unterseite der Treppe aufgewacht war, die häufig die ein oder andere Spinne zierte. Das war die Zeit gewesen, in der er noch gar nicht gewusst hatte, wer er wirklich war; noch nicht
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