Harry Potter und der Gefangene von Askaban
und sah sich um in der Hoffnung, dass niemand es bemerkt hatte. Viele um ihn her hatten die Augen fest geschlossen. Ron murmelte vor sich hin, etwas wie »nimm ihr die Beine weg«. Harry wusste ziemlich sicher, an was Ron dachte. Die größte Angst hatte er vor Spinnen.
»Seid ihr bereit?«, fragte Professor Lupin.
Harry spürte, wie ihm Angst die Kehle zuschnürte. Er war noch nicht bereit. Wie sollte er denn einen Dementor weniger schrecklich aussehen lassen? Doch um Zeit bitten wollte er nicht; alle andern nickten und rollten die Ärmel hoch.
»Neville, wir gehen ein paar Schritte zurück«, sagte Professor Lupin. »Dann hast du freie Bahn, klar? Ich rufe dann den Nächsten auf … alle zurücktreten jetzt, damit Neville richtig zielen kann.«
Sie gingen zurück und lehnten sich gegen die Wand; Neville stand jetzt allein vor dem Schrank. Er sah blass und verängstigt aus, doch er hatte die Ärmel seines Umhangs hochgekrempelt und hielt seinen Zauberstab bereit.
»Ich zähle bis drei, Neville«, sagte Professor Lupin und deutete mit seinem Zauberstab auf den Türknopf des Schranks. »Eins – zwei – drei – jetzt!«
Sterne stoben aus der Spitze von Professor Lupins Zauberstab und trafen den Türknopf. Die Schranktüren flogen auf. Hakennasig und drohend trat Professor Snape heraus und richtete seine blitzenden Augen auf Neville.
Neville wich zurück, den Zauberstab erhoben, und bewegte stumm den Mund. Snape griff in seinen Umhang und ging drohend auf ihn zu.
»R – r – riddikulus!« , quiekte Neville.
Es gab einen Knall, ähnlich dem Knall einer Peitsche. Snape stolperte; er trug jetzt ein langes, spitzenbesetztes Kleid, einen turmhohen Hut, auf dessen Spitze ein mottenzerfressener Geier saß, und an seinem Handgelenk schlenkerte eine enorme rote Handtasche.
Dröhnendes Gelächter brach aus; der Irrwicht erstarrte, heillos verwirrt, und Professor Lupin rief:
»Parvati! Du bist dran!«
Parvati trat mit entschlossener Miene nach vorne. Drohend wandte sich Snape ihr zu. Wieder knallte es, und wo er gestanden hatte, erschien eine blutbefleckte, bandagierte Mumie; ihr augenloses Antlitz Parvati zugewandt, begann sie träge schlurfend auf das Mädchen zuzugehen und hob die Arme.
»Riddikulus!« , schrie Parvati.
Am Fuß der Mumie löste sich eine Bandage; die Mumie verhedderte sich und fiel mit dem Gesicht auf den Boden; der Kopf rollte davon.
»Seamus!«, rief Professor Lupin.
Seamus schoss an Parvati vorbei.
Knall! Wo die Mumie gewesen war, stand eine Frau mit schwarzem Haar, das bis zum Boden reichte, und einem grünlichen, skelettartigen Gesicht – eine Todesfee. Sie machte den Mund weit auf und ein Klang wie nicht von dieser Welt erfüllte den Raum, ein lang gezogener, wehklagender Schrei, der Harry die Haare zu Berge stehen ließ.
»Riddikulus!« , rief Seamus.
Die Todesfee machte ein rasselndes Geräusch und griff sich an die Kehle; sie hatte ihre Stimme verloren.
Knall! Die Todesfee verwandelte sich in eine Ratte, die im Kreis herumrasend ihrem eigenen Schwanz nachjagte, und dann – knall! – verwandelte sie sich in eine Klapperschlange, die sich wand und kringelte, bis sie – knall! – zu einem blutigen Augapfel wurde.
»Er ist durcheinander!«, rief Lupin, »bald haben wir’s geschafft! Dean!«
Dean trat rasch nach vorne.
Krach! Der Augapfel wurde zu einer abgeschnittenen Hand; wie ein Krebs kroch sie über den Boden.
»Riddikulus!« , rief Dean.
Es gab ein schnappendes Geräusch und die Hand war in einer Mausefalle gefangen.
»Glänzend! Ron, du bist dran!«
Ron stürzte nach vorne.
Knall!
Nicht wenige schrien. Eine riesige Spinne, zwei Meter hoch und haarig, krabbelte auf Ron zu und klickte bedrohlich mit ihren Greifzangen. Einen Moment lang hatte Harry den Eindruck, Ron sei erstarrt. Dann –
»Riddikulus!« , bellte Ron und die Beine der Spinne verschwanden; sie kullerte über den Boden; Lavender Brown kreischte und lief aus dem Weg und die Spinne blieb vor Harrys Füßen liegen. Schon hob er seinen Zauberstab, doch –
»Halt!«, rief Professor Lupin plötzlich und sprang vor.
Knall!
Die beinlose Spinne war verschwunden. Einen Moment schauten sich alle aufgeregt um, wo sie abgeblieben war. Dann sahen sie eine silbern glitzernde weiße Kugel vor Lupin in der Luft hängen. »Riddikulus!« , sagte er fast lässig.
Knall!
Der Irrwicht landete als Kakerlak auf dem Boden. »Los jetzt, Neville, mach ihn alle!«, sagte Lupin. Knall! Snape war wieder da. Diesmal
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