Harry Potter und der Halbblutprinz
Ring war verschwunden.
Unterdessen rannte im Dorf Little Hangleton ein Dienstmädchen die Hauptstraße entlang und schrie, dass drei Leichen im Salon des Herrenhauses lägen: Tom Riddle senior, und seine Mutter und sein Vater.
Die Muggelbehörden waren verwirrt. Soweit ich unterrichtet bin, wissen sie bis zum heutigen Tag nicht, wie die Riddles gestorben sind, denn der Avada-Kedavra-Fluch hinterlässt normalerweise keinerlei Anzeichen einer Verletzung … die Ausnahme sitzt hier vor mir«, fügte Dumbledore mit einem Kopfnicken zu Harrys Narbe hinzu. »Das Ministerium hingegen wusste sofort, dass dies ein Mord durch einen Zauberer war. Man wusste auch, dass auf der anderen Seite des Tals gegenüber dem Haus der Riddles ein vorbestrafter Muggelhasser lebte, ein Muggelhasser, der wegen eines Angriffs auf einen der ermordeten Menschen schon einmal im Gefängnis gesessen hatte.
Also nahm sich das Ministerium Morfin vor. Sie brauchten ihn gar nicht zu verhören und auch nicht Veritaserum oder Legilimentik einzusetzen. Er gestand den Mord auf der Stelle und lieferte Einzelheiten, die nur der Mörder kennen konnte. Er sei stolz, behauptete er, die Muggel getötet zu haben, er habe all die Jahre auf seine Gelegenheit gewartet. Er übergab seinen Zauberstab, und man konnte unverzüglich nachweisen, dass er benutzt worden war, um die Riddles zu töten. Und er ließ sich widerstandslos nach Askaban abführen. Das Einzige, was ihn beunruhigte, war die Tatsache, dass der Ring seines Vaters verschwunden war. ›Er bringt mich um, weil ich ihn verloren hab‹, sagte er immer wieder zu den Leuten, die ihn verhaftet hatten. ›Er bringt mich um, weil ich seinen Ring verloren hab.‹ Und das war offenbar alles, was er jemals wieder sagte. Er verbrachte den Rest seines Lebens in Askaban und jammerte über den Verlust von Vorlosts letztem Erbstück, nun liegt er nahe beim Gefängnis neben den anderen armen Seelen begraben, die ihr Leben in seinen Mauern aushauchten.«
»Voldemort hat also Morfins Zauberstab gestohlen und ihn benutzt?«, sagte Harry und richtete sich auf.
»Genau«, sagte Dumbledore. »Wir haben keine Erinnerungen, die uns das zeigen, aber ich glaube, wir wissen ziemlich sicher, was passiert ist. Voldemort belegte seinen Onkel mit einem Schockzauber, nahm dessen Zauberstab und ging dann auf die andere Seite des Tals zu dem ›großen Haus gegenüber‹. Dort ermordete er den Muggel, der seine Hexenmutter verlassen hatte, und seine Muggelgroßeltern noch dazu; er löschte damit die Letzten der unwürdigen Riddle-Familie aus und rächte sich gleichzeitig an seinem Vater, der ihn nie gewollt hatte. Dann kehrte er in die Bruchbude der Gaunts zurück, führte den komplizierten Zauber aus, der dem Gedächtnis seines Onkels eine falsche Erinnerung einpflanzte, legte Morfins Zauberstab neben seinen bewusstlosen Besitzer, steckte den uralten Ring ein, den Morfin trug, und verschwand.«
»Und Morfin ist nie bewusst geworden, dass er es nicht getan hat?«
»Nie«, sagte Dumbledore. »Wie gesagt, er hat ein umfassendes und prahlerisches Geständnis abgelegt.«
»Aber diese echte Erinnerung steckte die ganze Zeit in ihm!«
»Ja, aber es war sehr viel gekonnte Legilimentik nötig, um sie ihm zu entlocken«, sagte Dumbledore, »und warum sollte irgendjemand sich weiter in Morfins Geist vertiefen, wenn er das Verbrechen doch schon gestanden hatte? Ich konnte mir jedoch in den letzten Wochen seines Lebens eine Besuchserlaubnis für Morfin beschaffen, denn inzwischen versuchte ich beharrlich, so viel wie möglich über Voldemorts Vergangenheit herauszufinden. Es war schwierig für mich, diese Erinnerung auszugraben. Als ich sah, was sie enthielt, versuchte ich, sie dafür zu verwenden, Morfins Freilassung aus Askaban zu erreichen. Doch noch ehe das Ministerium zu einer Entscheidung gelangte, war Morfin tot.«
»Aber wieso hat das Ministerium nicht erkannt, dass Voldemort Morfin das alles angetan hatte?«, fragte Harry wütend. »Er war damals minderjährig, nicht wahr? Ich dachte, die könnten Zauberei Minderjähriger aufspüren!«
»Du hast vollkommen Recht – sie können Zauberei aufspüren, aber nicht den, der sie ausübt: Du erinnerst dich sicher noch, dass du vom Ministerium wegen eines Schwebezaubers ermahnt wurdest, dabei war es in Wirklichkeit –«
»Dobby«, knurrte Harry; diese Ungerechtigkeit fuchste ihn immer noch. »Wenn man also minderjährig ist und im Haus einer erwachsenen Hexe oder eines Zauberers zaubert,
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