Harry Potter und der Halbblutprinz
stattdessen eine andere Anweisung hineingeschrieben hatte:
Mit der stumpfen Seite eines silbernen Dolchs zerdrücken, holt den Saft besser heraus als Kleinschneiden.
»Sir, ich glaube, Sie kannten meinen Großvater, Abraxas Malfoy?«
Harry sah auf; Slughorn ging gerade am Slytherin-Tisch vorbei.
»Ja«, sagte Slughorn, ohne Malfoy anzublicken, »zu meinem Bedauern hörte ich, dass er verstorben ist, auch wenn es natürlich nicht unerwartet kam, Drachenpocken in seinem Alter …«
Und er ging weiter. Harry beugte sich feixend wieder über seinen Kessel. Ihm war klar, dass Malfoy erwartet hatte, wie Harry oder wie Zabini behandelt zu werden; vielleicht hatte er sogar auf eine kleine Vorzugsbehandlung gehofft, von der Art, wie er sie inzwischen von Snape gewohnt war. Es sah ganz so aus, als müsste Malfoy sich auf nichts als seine Fähigkeiten verlassen, um das Fläschchen Felix Felicis zu gewinnen.
Die Schlafbohne klein zu schneiden erwies sich als äußerst schwierig. Harry drehte sich zu Hermine um.
»Kann ich mir mal dein silbernes Messer ausleihen?«
Sie nickte ungeduldig, ohne die Augen von ihrem Zaubertrank abzuwenden, der immer noch tiefpurpurrot war, obwohl er dem Buch nach mittlerweile einen leichten Lilastich hätte annehmen müssen.
Harry zerdrückte seine Bohne mit der stumpfen Seite des Dolchs. Zu seinem Erstaunen sonderte sie unverzüglich so viel Saft ab, wie er der schrumpeligen Bohne gar nicht zugetraut hätte. Hastig schöpfte er alles in den Kessel und stellte überrascht fest, dass der Trank sofort genau den Lilaton annahm, der im Lehrbuch beschrieben war.
Harrys Ärger über den Vorbesitzer verflog auf der Stelle und er spähte nun auf die nächste Zeile der Anweisungen. Laut Buch musste er den Sud gegen den Uhrzeigersinn umrühren, bis er klar wie Wasser wurde. Laut Anmerkung jedoch, die der Vorbesitzer hinzugefügt hatte, sollte er, immer wenn er siebenmal gegen den Uhrzeigersinn gerührt hatte, einmal in die andere Richtung rühren. Konnte der alte Besitzer auch ein zweites Mal Recht haben?
Harry rührte gegen den Uhrzeigersinn, hielt den Atem an und rührte einmal im Uhrzeigersinn. Die Wirkung folgte unmittelbar. Der Trank nahm ein blässliches Rosa an.
»Wie machst du das?«, wollte Hermine wissen. Ihr Gesicht war gerötet und ihre Haare wurden in den Dämpfen ihres Kessels immer buschiger; ihr Trank blieb beharrlich bei seiner purpurnen Farbe.
»Rühr zusätzlich einmal im Uhrzeigersinn –«
»Nein, nein, im Buch steht, gegen den Uhrzeigersinn!«, fuhr sie ihn an.
Harry zuckte die Achseln und rührte weiter. Siebenmal gegen den Uhrzeigersinn, einmal im Uhrzeigersinn, Pause … siebenmal gegen den Uhrzeigersinn, einmal im Uhrzeigersinn …
Auf der anderen Seite des Tisches fluchte Ron leise vor sich hin; sein Gebräu sah aus wie flüssige Lakritze. Harry blickte sich um. Soweit er sehen konnte, war kein anderer Zaubertrank so blass geworden wie seiner. Er geriet in Hochstimmung, etwas, das ihm in diesem Kerker wahrlich noch nie passiert war.
»Und die Zeit ist … um!«, rief Slughorn. »Nicht mehr rühren, bitte!«
Slughorn ging langsam zwischen den Tischen durch und lugte in die Kessel. Er gab keine Kommentare ab, rührte nur hin und wieder in einem Trank oder schnupperte daran. Schließlich kam er zu dem Tisch, an dem Harry, Ron, Hermine und Ernie saßen. Er lächelte mitleidig über die teerartige Substanz in Rons Kessel. Ernies marineblaues Gebräu überging er. Hermines Zaubertrank bedachte er mit einem anerkennenden Nicken. Dann sah er Harrys Trank und auf seinem Gesicht breitete sich ein Ausdruck ungläubiger Freude aus.
»Der klare Sieger!«, rief er durch den Kerker. »Ausgezeichnet, ausgezeichnet, Harry! Mein Gott, Sie haben eindeutig das Talent Ihrer Mutter geerbt, sie war ein richtiges Ass in Zaubertränke, unsere Lily! Also, hier, bitte sehr, bitte sehr – eine Flasche Felix Felicis, wie versprochen, und verwenden Sie es mit Bedacht!«
Harry ließ das Fläschchen mit der goldenen Flüssigkeit in seine Innentasche gleiten, und er empfand eine seltsame Mischung von Genugtuung angesichts der wütenden Blicke auf den Slytherin-Gesichtern und von schlechtem Gewissen wegen Hermines enttäuschter Miene. Ron wirkte schlichtweg verdattert.
»Wie hast du das gemacht?«, flüsterte er Harry zu, als sie den Kerker verließen.
»Hab einfach Glück gehabt, schätze ich«, erwiderte Harry, weil Malfoy in Hörweite war.
Doch sobald sie bequem und geschützt am
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