Harry Potter und der Halbblutprinz
sein. Die Handschrift kommt mir eher wie die eines Mädchens vor als die eines Jungen.«
»Er hieß der Halbblut prinz«, sagte Harry. »Wie viele Mädchen waren Prinzen?«
Darauf schien Hermine keine Antwort zu haben. Sie blickte nur finster und zog ihren Aufsatz über »Die Prinzipien der Rematerialisierung« von Ron weg, der versucht hatte, den Text über Kopf zu lesen.
Harry warf einen Blick auf seine Uhr und steckte hastig das alte Exemplar von Zaubertränke für Fortgeschrittene zurück in seine Tasche.
»Es ist fünf vor acht, ich geh jetzt besser, sonst komm ich zu spät zu Dumbledore.«
»Ooooh!«, stieß Hermine hervor und blickte sofort auf. »Viel Glück! Wir warten auf dich, wir wollen hören, was er dir beibringt!«
»Hoffentlich läuft’s gut«, sagte Ron, und die beiden sahen Harry nach, der durch das Porträtloch verschwand.
Harry lief durch menschenleere Korridore, musste allerdings hastig hinter eine Statue schlüpfen, als Professor Trelawney um eine Ecke gebogen kam, die leise vor sich hin brabbelte, einen Stapel schmutzig aussehender Spielkarten mischte und sie dann im Gehen las.
»Pik-Zwei: Konflikt«, murmelte sie, als sie an der Statue vorbeikam, hinter die Harry sich geduckt hatte. »Pik-Sieben: ein böses Omen. Pik-Zehn: Gewalt. Pik-Bube: ein dunkler junger Mann, möglicherweise verstört, der den Fragesteller nicht leiden kann –«
Sie blieb wie angewurzelt stehen, genau vor Harrys Statue.
»Nein, das kann nicht stimmen«, sagte sie verärgert, und als sie weitergegangen und nichts als einen leichten Geruch nach Kochsherry zurückgelassen hatte, hörte Harry, wie sie die Karten energisch neu mischte. Er wartete, bis er ganz sicher war, dass sie sich entfernt hatte, dann brach er eilig wieder auf, bis er die Stelle im Korridor im siebten Stock erreichte, wo ein einzelner Wasserspeier an der Wand stand.
»Säuredrops«, sagte Harry. Der Wasserspeier sprang beiseite; die Wand hinter ihm teilte sich und glitt auseinander, und eine steinerne Wendeltreppe, die sich bewegte, wurde sichtbar. Harry stieg auf die Stufen, worauf sie ihn in sanften Kreisen hoch zu der Tür mit dem Bronzeklopfer trug, die zu Dumbledores Büro führte.
Harry klopfte.
»Herein«, sagte Dumbledores Stimme.
»Guten Abend, Sir«, sagte Harry und betrat das Büro des Schulleiters.
»Ah, guten Abend, Harry. Setz dich«, erwiderte Dumbledore lächelnd. »Ich hoffe, du hattest eine angenehme erste Woche zurück in der Schule?«
»Ja, danke, Sir«, sagte Harry.
»Du musst fleißig gewesen sein, da du dir bereits einmal Nachsitzen eingehandelt hast!«
»Ähm …«, begann Harry verlegen, aber Dumbledore sah nicht allzu streng aus.
»Ich habe mich mit Professor Snape verständigt, dass du stattdessen nächsten Samstag zum Nachsitzen kommst.«
»Gut«, sagte Harry, den im Augenblick dringendere Dinge beschäftigten als das Nachsitzen bei Snape. Er blickte sich jetzt verstohlen nach irgendeinem Hinweis auf das um, was Dumbledore an diesem Abend mit ihm vorhatte. Das kreisrunde Büro sah genauso aus wie immer: Die empfindlichen silbernen Instrumente standen auf storchbeinigen Tischen, stießen Rauch aus und surrten; Porträts ehemaliger Schulleiter und Schulleiterinnen dösten in ihren Bilderrahmen; und Dumbledores herrlicher Phönix Fawkes saß auf seiner Stange hinter der Tür und beobachtete Harry mit wachem Interesse. Es sah nicht einmal danach aus, als hätte Dumbledore einen Platz für Duellübungen frei geräumt.
»Also, Harry«, sagte Dumbledore in sachlichem Ton. »Du fragst dich sicher, was ich mit dir in diesen – in Ermangelung eines besseren Wortes – Unterrichtsstunden zu tun gedenke.«
»Ja, Sir.«
»Nun, ich habe beschlossen, dass es an der Zeit ist, dir gewisse Informationen mitzuteilen, jetzt, da du weißt, was Lord Voldemort vor fünfzehn Jahren zu dem Versuch veranlasst hat, dich zu töten.«
Eine Weile herrschte Stille.
»Sie sagten am Ende des letzten Schuljahrs, Sie würden mir alles erzählen«, bemerkte Harry. Es fiel ihm schwer zu vermeiden, dass seine Stimme vorwurfsvoll klang. »Sir«, fügte er hinzu.
»Und das habe ich auch getan«, sagte Dumbledore ruhig. »Ich habe dir alles erzählt, was ich weiß. Von jetzt an werden wir den festen Boden der Tatsachen verlassen und gemeinsam durch die trüben Sümpfe der Erinnerung in das Dickicht wildester Spekulation wandern. Von hier an, Harry, könnte ich mich genauso erbärmlich irren wie Humphrey Belcher, der glaubte, die Zeit sei
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