Harry Potter und der Halbblutprinz
reif für einen Käsekessel.«
»Aber Sie denken, dass Sie sich nicht irren?«, fragte Harry.
»Natürlich, aber wie ich dir bereits bewiesen habe, mache ich Fehler wie jeder andere. Genau genommen sind meine Fehler, da ich – verzeih mir – eher klüger bin als die meisten Menschen, in der Regel auch entsprechend größer.«
»Sir«, sagte Harry zaghaft, »hat das, was Sie mir erzählen werden, irgendetwas mit der Prophezeiung zu tun? Wird es mir helfen … zu überleben?«
»Es hat sehr viel mit der Prophezeiung zu tun«, erwiderte Dumbledore, so beiläufig, als ob Harry ihn nach dem morgigen Wetter gefragt hätte, »und ich hoffe zweifellos, dass es dir helfen wird, zu überleben.«
Dumbledore erhob sich und ging um den Schreibtisch herum, an Harry vorbei, der sich gespannt auf seinem Platz umdrehte und Dumbledore zusah, wie er sich in den Schrank neben der Tür beugte. Als er sich aufrichtete, hielt er eine vertraute flache Steinschale in den Händen, auf deren Rand merkwürdige Zeichen eingeprägt waren. Er stellte das Denkarium vor Harry auf den Schreibtisch.
»Du siehst beunruhigt aus.«
Harry hatte das Denkarium tatsächlich etwas besorgt ins Auge gefasst. Seine bisherigen Erfahrungen mit der merkwürdigen Vorrichtung, die Gedanken und Erinnerungen speicherte und offenbarte, waren zwar höchst aufschlussreich, aber auch unangenehm gewesen. Als er zum letzten Mal seinen Inhalt aufgewirbelt hatte, hatte er viel mehr gesehen, als ihm eigentlich lieb war. Aber Dumbledore lächelte.
»Diesmal trittst du mit mir zusammen in das Denkarium ein … und was sogar noch ungewöhnlicher ist – mit Erlaubnis.«
»Wohin gehen wir, Sir?«
»Auf eine Reise auf Bob Ogdens Straße der Erinnerung«, sagte Dumbledore und zog eine Kristallflasche aus seiner Tasche, die eine wirbelnde, silbrig weiße Substanz enthielt.
»Wer war Bob Ogden?«
»Er hat in der Abteilung für Magische Strafverfolgung gearbeitet«, sagte Dumbledore. »Er ist vor einiger Zeit gestorben, aber ich konnte ihn noch rechtzeitig ausfindig machen und ihn überreden, mir diese Erinnerungen anzuvertrauen. Wir werden ihn gleich bei einem Besuch begleiten, den er von Amts wegen gemacht hat. Wenn du bitte aufstehen würdest, Harry …«
Aber Dumbledore hatte Schwierigkeiten, den Stöpsel der Kristallflasche herauszuziehen: Seine verletzte Hand war offenbar steif und schmerzte.
»Soll – soll ich, Sir?«
»Kein Problem, Harry –«
Dumbledore richtete seinen Zauberstab auf die Flasche und der Korken flog heraus.
»Sir – wie haben Sie sich die Hand verletzt?«, fragte Harry erneut und blickte mit einer Mischung aus Abscheu und Mitleid auf die geschwärzten Finger.
»Es ist noch nicht Zeit für diese Geschichte, Harry. Noch nicht. Wir haben eine Verabredung mit Bob Ogden.«
Dumbledore kippte den silbrigen Inhalt der Flasche in das Denkarium, wo er, weder Flüssigkeit noch Gas, schimmernd umherwirbelte.
»Nach dir«, sagte Dumbledore und wies auf die Schale.
Harry beugte sich vor, holte tief Luft und tauchte sein Gesicht in die silbrige Substanz. Er spürte, wie seine Füße vom Boden des Büros abhoben; er fiel und fiel, durch schwirrende Dunkelheit, und dann, ganz plötzlich, blinzelte er in blendendem Sonnenlicht. Ehe seine Augen sich daran gewöhnt hatten, landete Dumbledore neben ihm.
Sie standen auf einer Landstraße, die von hohen, verschlungenen Hecken gesäumt war, unter einem Sommerhimmel, so hell und blau wie ein Vergissmeinnicht. Etwa drei Meter vor ihnen stand ein kleiner, rundlicher Mann mit enorm dicken Brillengläsern, die seine Augen zu leberfleckartigen Pünktchen verkleinerten. Er blickte auf ein hölzernes Straßenschild, das aus den Brombeersträuchern am linken Straßenrand ragte. Harry wusste, das musste Ogden sein; er war der einzige Mensch weit und breit, und er trug auch das seltsame Durcheinander von Kleidern, für das sich unerfahrene Zauberer oft entschieden, wenn sie wie Muggel aussehen wollten: Bei ihm waren es ein Gehrock und Gamaschen über einem gestreiften Badeanzug. Doch ehe Harry zu etwas anderem fähig war, als diese bizarre Erscheinung zur Kenntnis zu nehmen, ging Ogden bereits mit zügigen Schritten die Straße hinunter.
Dumbledore und Harry folgten ihm. Als sie an dem hölzernen Wegweiser vorbeikamen, blickte Harry zu dessen zwei Armen hoch. Der eine wies in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren, und darauf stand: »Great Hangleton, 5 Meilen«. Auf dem anderen, der in Ogdens Richtung
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