Harry Potter und die Heiligtümer des Todes
lautete die Inschrift auf dem Stein:
Hier liegt Dobby, ein freier Elf.
Er blickte noch einige Sekunden lang auf sein Werk hinab, dann entfernte er sich, mit immer noch leicht kribbelnder Narbe und völlig mit den Dingen beschäftigt, die ihm in dem Grab eingefallen waren, mit Ideen, die in der Dunkelheit Gestalt angenommen hatten, faszinierend und schrecklich zugleich.
Als er in den kleinen Flur trat, saßen alle im Wohnzimmer und hatten ihre Aufmerksamkeit auf Bill gerichtet, der gerade sprach. Der Raum war in lichten Farben gehalten, hübsch, im Kamin brannte ein helles kleines Feuer aus Treibholz. Weil Harry den Teppich nicht mit Erde beschmutzen wollte, stellte er sich in die Tür und hörte zu.
»… ein Glück, dass Ginny in den Ferien ist. Wenn sie in Hogwarts gewesen wäre, dann hätten die sie womöglich entführt, bevor wir bei ihr gewesen wären. Jetzt wissen wir, dass auch sie in Sicherheit ist.«
Bill wandte sich um und sah Harry da stehen.
»Ich habe sie alle aus dem Fuchsbau geholt«, erklärte er. »Und sie zu Muriel gebracht. Die Todesser wissen jetzt, dass Ron bei dir ist, sie werden sicher die Familie ins Visier nehmen – das braucht dir nicht leidzutun«, fügte er hinzu, als er Harrys Miene sah. »Es war immer eine Frage der Zeit, das sagt Dad schon seit Monaten. Wir sind die größte Blutsverräterfamilie, die es gibt.«
»Wie werden sie geschützt?«, fragte Harry.
»Fidelius-Zauber. Dad ist der Geheimniswahrer. Und bei diesem Haus hier haben wir das auch gemacht; hier bin ich der Geheimniswahrer. Keiner von uns kann zur Arbeit gehen, aber das ist jetzt wohl nicht so wichtig. Sobald Ollivander und Griphook sich einigermaßen erholt haben, bringen wir auch sie zu Muriel. Hier ist nicht viel Platz, aber bei ihr jede Menge. Griphooks Beine verheilen schon, Fleur hat ihm Skele-Wachs gegeben. Wir können sie vermutlich in einer Stunde wegbringen oder –«
»Nein«, sagte Harry und Bill schien verblüfft. »Ich brauche sie beide hier. Ich muss mit ihnen reden. Es ist wichtig.«
Er hörte die Autorität in seiner Stimme, die Gewissheit, die Entschlossenheit, die er gewonnen hatte, während er Dobbys Grab ausgehoben hatte. Alle Gesichter waren ihm zugewandt und blickten verwirrt.
»Ich gehe mich waschen«, sagte Harry zu Bill und sah hinab auf seine Hände, die immer noch voll von Erde und Dobbys Blut waren. »Dann muss ich sie sehen, und zwar sofort.«
Er ging in die kleine Küche, zu dem Spülbecken unter einem Fenster, von dem aus das Meer zu sehen war. Während er sich wusch, brach am Horizont der Morgen an, muschelrosa und mit einem Streifen Gold, und Harry hing wieder den Gedanken nach, die ihm in dem dunklen Garten gekommen waren …
Dobby würde ihnen niemals sagen können, wer ihn in den Keller geschickt hatte, aber Harry wusste, was er gesehen hatte. Ein blaues Auge hatte mit stechendem Blick aus dem Bruchstück des Spiegels geschaut und dann war Hilfe da gewesen. Wer immer in Hogwarts um Hilfe bittet, wird sie auch bekommen.
Harry trocknete sich die Hände ab, die Schönheit der Szenerie vor dem Fenster und das Gemurmel der anderen im Wohnzimmer ließen ihn unberührt. Er blickte hinaus über den Ozean und hatte in dieser Morgendämmerung das Gefühl, näher als je zuvor zu sein, näher am Kern des Ganzen.
Und noch immer ziepte seine Narbe, und er wusste, dass auch Voldemort auf der richtigen Spur war. Harry begriff, und begriff doch nicht. Sein Instinkt sagte ihm das eine, sein Gehirn etwas ganz anderes. Der Dumbledore in Harrys Kopf lächelte, beobachtete Harry über seine Fingerkuppen hinweg, die er aneinandergelegt hatte wie zum Gebet.
Sie haben Ron den Deluminator gegeben. Sie haben ihn verstanden … Sie haben ihm einen Weg zurück ermöglicht …
Und Sie haben auch Wurmschwanz verstanden … Sie wussten, dass ein wenig Reue in ihm steckte, irgendwo …
Und wenn Sie sie kannten … was wussten Sie über mich, Dumbledore?
Bin ich dafür bestimmt, zu wissen, aber nicht, zu suchen? Wussten Sie, wie schwer mir das fallen würde? Ist das der Grund, warum Sie es so schwierig gemacht haben? Damit ich Zeit hätte, das herauszufinden?
Harry stand reglos da, mit glasigen Augen, den Blick auf den Punkt gerichtet, wo der strahlend goldene Rand der gleißenden Sonne am Horizont erschien. Dann schaute er auf seine sauberen Hände und war kurz überrascht, das Tuch zu sehen, das er darin hielt. Er legte es beiseite und kehrte in den Flur zurück, und dabei spürte er seine Narbe
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