Harry Potter und die Heiligtümer des Todes
scheute, ihm nahe zu kommen, dass Voldemort den Verdacht hegte, etwas sei nicht nach Plan gelaufen …
Hände, weichere Hände, als er erwartet hatte, berührten Harrys Gesicht, hoben ein Augenlid an, krochen unter sein Hemd, hinab zu seiner Brust und tasteten nach seinem Herzen. Er konnte das schnelle Atmen der Frau hören, ihre langen Haare kitzelten ihn im Gesicht. Er wusste, dass sie das stete Pochen des Lebens gegen seine Rippen spüren konnte.
»Lebt Draco noch? Ist er im Schloss?«
Das Flüstern war kaum zu vernehmen; ihre Lippen waren nur Zentimeter von seinem Ohr entfernt, sie hatte den Kopf so tief herabgebeugt, dass ihr langes Haar sein Gesicht vor den Zuschauern verbarg.
»Ja« , hauchte er zurück.
Er spürte, wie sich die Hand auf seiner Brust verkrampfte; ihre Fingernägel bohrten sich in ihn hinein. Dann wurde die Hand zurückgezogen. Sie hatte sich aufgerichtet.
»Er ist tot!«, rief Narzissa Malfoy den Umstehenden zu.
Und nun schrien sie, nun stimmten sie Triumphgeheul an und stampften mit den Füßen, und durch seine Augenlider sah Harry, wie zur Feier rote und silberne Lichtgarben in die Luft geschossen wurden.
Während er weiter wie tot am Boden liegen blieb, begriff er. Narzissa wusste, dass es ihr nur als Angehörige der siegreichen Armee erlaubt sein würde, Hogwarts zu betreten und nach ihrem Sohn zu suchen. Ihr war es inzwischen gleichgültig, ob Voldemort gewann.
»Seht ihr?«, kreischte Voldemort durch den Lärm. »Harry Potter ist von meiner Hand gestorben, und nun ist keiner mehr unter den Lebenden, der eine Gefahr für mich sein könnte! Seht her! Crucio!«
Harry hatte es erwartet, er hatte gewusst, dass seine Leiche nicht unbesudelt am Boden des Waldes liegen bleiben durfte, sie musste geschändet werden, damit Voldemorts Sieg bewiesen wäre. Er wurde in die Luft gehoben, und es kostete ihn all seine Willenskraft, schlaff zu bleiben, doch der Schmerz, mit dem er gerechnet hatte, blieb aus. Ein, zwei, drei Mal wurde er in die Luft geschleudert: Seine Brille flog weg, und er spürte den Zauberstab unter seinem Umhang leicht verrutschen, doch er blieb weiterhin lasch und teilnahmslos, und als er ein letztes Mal zu Boden fiel, hallten höhnische Schreie und schrilles Gelächter über die Lichtung.
»Nun denn«, sagte Voldemort, »gehen wir zum Schloss und zeigen ihnen, was aus ihrem Helden geworden ist. Wer schleppt die Leiche? Nein – wartet –«
Erneut brach Gelächter aus und wenig später spürte Harry den Boden unter sich erzittern.
»Du trägst ihn«, sagte Voldemort. »In deinen Armen wird er sich hübsch machen und gut sichtbar sein, nicht wahr? Nimm deinen kleinen Freund hoch, Hagrid. Und die Brille – setzt ihm die Brille auf – man muss sehen können, wer es ist.«
Jemand rammte Harry absichtlich grob die Brille ins Gesicht, doch die gewaltigen Hände, die ihn in die Luft hoben, waren außerordentlich sanft. Harry konnte spüren, wie Hagrids Arme von schweren Schluchzern geschüttelt wurden, und dicke Tränen spritzten auf ihn herab, als Hagrid ihn in seinen Armen wiegte, und Harry wagte es nicht, sich zu rühren oder etwas zu sagen und damit Hagrid zu verstehen zu geben, dass noch nicht alles verloren war.
»Los!«, sagte Voldemort, und Hagrid stolperte vorwärts, bahnte sich einen Weg durch die dicht wachsenden Bäume, zurück durch den Verbotenen Wald. Zweige verfingen sich in Harrys Haaren und in seinem Umhang, doch er lag ruhig da, ließ den Mund offen stehen, hielt die Augen geschlossen, und in der Dunkelheit, während die Todesser rundum frohlockten und Hagrid verständnislos schluchzte, gab es keinen, der hingesehen und sich vergewissert hätte, ob am bloßen Hals von Harry Potter nicht eine Ader pulsierte …
Die beiden Riesen trampelten hinter den Todessern her; Harry konnte Bäume auf ihrem Weg knarren und umfallen hören; sie machten ein derartiges Getöse, dass Vögel kreischend in den Himmel stiegen und selbst das höhnische Geschrei der Todesser unterging.
Der Triumphzug marschierte auf das offene Gelände zu, und als sich nach einiger Zeit die Dunkelheit unter Harrys geschlossenen Lidern aufhellte, wusste er, dass sich der Wald allmählich lichtete.
»BANE!«
Hagrids plötzliches Gebrüll hätte Harry fast dazu gebracht, die Augen zu öffnen. »Zufried’n jetz’, oder, dass ihr nich gekämpft habt, ihr feiges Pack Schindmähr’n? Seid ihr zufried’n, dass Harry Potter – t-tot is’ …?«
Hagrid versagte die Stimme und er brach
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