Harry Potter und die Kammer des Schreckens
Potter.«
»Zum Beispiel?«, blaffte ihn Harry an, die Hände immer noch geballt.
»Nun«, sagte Riddle vergnügt lächelnd, »wie kommt es, dass ein Baby ohne außergewöhnliche magische Begabung es geschafft hat, den größten Zauberer aller Zeiten zu besiegen? Wie konntest du mit nichts weiter als einer Narbe davonkommen, während Lord Voldemorts Kräfte zerstört wurden?«
In seine hungrigen Augen trat jetzt ein merkwürdiges rotes Leuchten.
»Was schert es dich, wie ich überlebte?«, sagte Harry langsam. »Voldemort kam nach deiner Zeit …«
»Voldemort«, sagte Riddle sanft, »ist meine Vergangenheit, meine Gegenwart und meine Zukunft, Harry Potter …«
Er zog Harrys Zauberstab aus der Tasche, schwang ihn durch die Luft und schrieb drei schimmernde Wörter:
TOM VORLOST RIDDLE
Und mit einem Schwung des Zauberstabs vertauschten die Buchstaben ihre Plätze:
IST LORD VOLDEMORT
»Siehst du?«, flüsterte er. »Es war ein Name, den ich schon in Hogwarts gebraucht habe, natürlich nur für meine engsten Freunde. Glaubst du etwa, ich wollte für immer den Namen meines miesen Muggelvaters tragen? Ich, in dessen Adern von der Mutter her das Blut von Salazar Slytherin selbst fließt? Ich soll den Namen eines schäbigen, gemeinen Muggels behalten, der mich verließ, noch bevor ich geboren war, nur weil er herausfand, dass seine Frau eine Hexe war? Nein, Harry – ich erfand mir einen neuen Namen, einen Namen, von dem ich wusste, dass Zauberer allerorten ihn eines Tages, wenn ich der größte Zaubermeister der Welt sein würde, vor Angst nicht auszusprechen wagen würden!«
Harrys Gehirn schien wie gelähmt. Benommen starrte er Riddle an, den Waisenjungen, der später Harrys Eltern töten sollte und wie viele andere noch … Endlich zwang er sich zu sprechen.
»Das bist du nicht«, sagte er leise und mit hasserfüllter Stimme.
»Was nicht?«, fuhr ihn Riddle an.
»Nicht der größte Zauberer der Welt«, sagte Harry rasch atmend. »Tut mir leid, dass ich dich enttäuschen muss, doch der größte Zauberer der Welt ist Albus Dumbledore. Das sagen alle. Selbst als du stark warst, hast du nicht gewagt, Hogwarts zu erobern. Dumbledore hat dich schon durchschaut, als du noch in der Schule warst, und er macht dir immer noch Angst, wo du dich auch heute verstecken magst –«
Das Lächeln war aus Riddles Gesicht gewichen und er schaute Harry mit einem sehr hässlichen Blick an.
»Dumbledore ist durch mein bloßes Gedächtnis aus diesem Schloss vertrieben worden!«, zischte er.
»Er ist nicht so fern, wie du glauben möchtest!«, erwiderte Harry. Er sprach so dahin, um Riddle Furcht einzujagen, ohne zu glauben, dass es stimmte –
Riddle öffnete den Mund, doch dann erstarrte er.
Von irgendwoher kam Musik. Riddle wirbelte herum und starrte durch die leere Kammer. Die Musik wurde lauter. Es war unheimliche Musik, sie ließ einen erschaudern, als wäre sie nicht von dieser Welt; Harrys Nackenhaare sträubten sich, und sein Herz fühlte sich an, als wolle es auf die doppelte Größe anschwellen. Dann, als die Musik einen so hohen Ton erreicht hatte, dass Harrys Rippen erzitterten, brachen hoch oben an der Säule neben ihm Flammen aus.
Ein scharlachroter Vogel, groß wie ein Schwan, tauchte aus den Flammen auf und zwitscherte seine unheimliche Musik der gewölbten Decke entgegen. Er hatte einen golden schimmernden Schweif, lang wie der eines Pfaus, und leuchtend goldene Krallen, die ein zerlumptes Bündel trugen.
Eine Sekunde später schwebte der Vogel geradewegs auf Harry zu. Er ließ das zerlumpte Ding vor seine Füße fallen und landete dann schwer auf seiner Schulter. Während der Vogel seine großen Flügel faltete, sah Harry hoch und erkannte einen langen, scharfen goldenen Schnabel und ein perlenes schwarzes Auge.
Der Vogel hörte auf zu singen. Er saß still und wärmend an Harrys Wange und starrte unverwandt Riddle an.
»Das ist ein Phönix …«, sagte Riddle misstrauisch zurückstarrend.
»Fawkes?«, hauchte Harry und die goldenen Krallen des Vogels drückten sanft seine Schulter.
»Und das –« , sagte Riddle und beäugte nun das zerlumpte Ding, das Fawkes hatte fallen lassen, »das ist der alte Sprechende Hut der Schule –«
So war es. Geflickt, zerzaust und schmutzig lag der Hut reglos zu Harrys Füßen.
Riddle begann wieder zu lachen. Er lachte so heftig, dass die dunkle Kammer davon widerhallte, als ob zehn Riddles auf einmal lachten –
»Das also schickt Dumbledore seinem Verteidiger!
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