Hart
Was wusste ich schon von seinem Leben?
Ich ging auf die Veranda hinaus. Es wimmelte von Eichhörnchen, die sich in der Gesellschaft von Menschen vollkommen wohl zu fühlen schienen. Hier und da lagen Häufchen von Nüssen auf dem Geländer. Von den äußeren Balken des Verandadachs hingen Vogelfutterspender herab. In einem Vogelhäuschen wohnte eine Spatzenfamilie. Auf jedem Fensterbrett standen Blumenkästen, und aus dem schwarzen Erdreich kamen die ersten grünen Triebe. Diese betrachtete ich eine ganze Weile.
Dann kehrte ich in die Küche zurück und machte Frühstück.
Als Tom nach Holz, Erde und Morgentau riechend zur Hintertür hereinkam, waren die Omeletts beinahe fertig. Auf dem Tisch standen Orangensaft und Milch neben Silberschalen mit Orangenspalten und Apfelschnitzen. Tom umarmte mich von hinten und küsste mich seitlich auf den Hals.
«Ich komme gern zu dir nach Hause», sagte er. Wir wiegten uns gemeinsam, während die Omeletts in der Pfanne brutzelten. Sein stoppeliges Kinn scheuerte an meinem Gesicht.
«Guten Morgen.»
«Hast du mich vermisst?»
«Ja. Aber die Eichhörnchen haben mir Gesellschaft geleistet.»
«Ich möchte, dass du heute mit rausfährst. Mit dem Geländefahrzeug. Ich möchte dir ein paar Stellen zeigen, die ich immer aufsuche. Damit du weißt, wo ich bin, wenn du mich aus irgendeinem Grund mal brauchen solltest.»
Ich stellte die Herdplatte ab und gab die Omeletts auf die Teller. Tom warf seinen Hut auf den Tisch und seine Jacke über die Stuhllehne. Ich sah zu, wie er sich setzte und zu essen begann.
«Wir haben eine dauerhafte Beziehung, nicht wahr?», fragte ich ruhig.
Tom blickte von seinem Frühstück auf. Die Morgensonne brach durchs Fenster und verlieh seinem braunen Haar einen tiefroten Ton. Der alte Stuhl quietschte, als er sich zurücklehnte. Ich weiß nicht, was ich erwartete; vielleicht eine Diskussion oder eine Bemerkung, die keine echte Antwort war, vielleicht eine Gegenfrage. Was ich bekam, war jedoch Gewissheit.
«Wenn du das möchtest.»
Ich setzte mich neben ihn, legte die Hand unter dem Tisch auf seinen Oberschenkel, und für kurze Zeit hätten wir ein Gemälde sein können, ein von einem Sonnenstrahl erleuchtetes Stillleben.
Wir sahen uns an. Allmählich zuckte ein Lächeln um einen seiner Mundwinkel, und ich spürte, wie ich sein Lächeln erwiderte.
«Wo warst du heute?», fragte ich und durchbrach damit die Spannung. Jetzt waren wir nur noch zwei Menschen, die an einem kühlen Frühlingsmorgen miteinander frühstückten.
Beim Essen redete er über die Jagd. Er aß seine Portion auf und die Hälfte von meiner. Wir verschlangen die Orangen und Äpfel. Dreißig Minuten später fuhren wir auf einem schlammverkrusteten ATV über einen Waldpfad.
Ich legte Tom die Arme um den Bauch. Sein ganzer Körper war fest und gab nicht nach – abgesehen von einer kleinen Stelle unmittelbar oberhalb des Gürtels. Ich massierte ihm beim Fahren den Bauch. Ich stellte fest, dass er an den Rippen kitzlig war. Dann kuschelte ich mich dicht an ihn und drückte ihm die Brüste an den Rücken.
Die Sonne stand inzwischen hoch über den Bäumen, die Schatten auf uns warfen. Plötzlich konnte ich sehen, wie Toms Tarnfarben perfekt mit der Umgebung verschmolzen. Selbst das Geländefahrzeug hatte dasselbe unauffällige Muster. Wäre nicht mein rotes Haar gewesen, das mir der Wind aus dem Gesicht wehte, hätten wir uns glatt im Wald auflösen können.
Als wir auf eine hohe Felsenklippe kamen, die auf den Tennessee River hinunterblickte, spannte ich vor Schreck die Arme an. Es ging fast zwanzig Meter steil nach unten.
Tom stellte den Motor aus, und wir saßen zusammen da und blickten aufs Wasser hinunter. Beim Abkühlen klickte der Motor rhythmisch. Vögel sangen, und im Unterholzschnatterte ein kleines Tier, bevor es weghuschte. Die Blätter über uns bewegten sich kaum im leichten Wind. Vor uns lag ein umgestürzter Baum als einziges Hindernis zwischen den Reifen des ATV und dem gefährlichen Abgrund.
Tom drehte sich zur Seite und küsste mich. Sein Mund war warm, und er roch nach Schweiß, Blättern und Waffenöl. Ich dachte an unseren ersten Kuss. Diese Erinnerung würde immer mit dem unverkennbaren Geruch von Öl auf Stahl verbunden bleiben. Wie zögerlich ich damals gewesen war, wie unsicher – und welchen Unterschied doch einige wenige Tage ausmachen konnten.
Ich küsste Tom leidenschaftlich und griff in sein Haar, um tiefer zu kommen. Er stöhnte tief in der Kehle.
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