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Hart

Hart

Titel: Hart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Masters
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tarnfarbene Baseballkappe im Unterholz suchte. Als er wieder vollständig bekleidet war, setzte er sich hinter mich auf das Geländefahrzeug. Er zog mich gegen seine Brust, und gemeinsam sahen wir zu, wie der See zum Leben erwachte. Boote tanzten auf dem Wasser; aus der Höhe wirkten sie wie Spielzeug, mit dem sich ein Kind in der Badewanne amüsiert. Unten flogen Vögel und tauchten ins Wasser ein. Wir küssten uns wie Teenager. Tom flüsterte mir Albernheiten ins Ohr, während die Sonne versuchte, uns durch das frische, grüne Blätterdach zu finden.
    Auf dem Rückweg zeigte er mir, wie man mit dem Geländefahrzeug fuhr. Ich würgte den Motor zweimal ab, bevor ich das Schalten begriffen hatte. Die ganze Zeit hielt Tom mich von hinten fest. Als wir wieder auf seiner Lichtung eintrafen, fühlte ich mich, als wären wir eine Einheit, ein einziges Wesen auf dem Rücken dieser Maschine.
    Ich stellte den Motor aus, und er ließ mich lange nichtlos. Wir schauten auf das Holzhaus, beobachteten die Eichhörnchen und Vögel, und kurz darauf zeigte Tom mir in der Ferne einen ziemlich mutigen Hirsch, der sich wie ein lautloses Gespenst durch den Wald bewegte. Über uns schrie eine Krähe. Irgendwo im Unterholz raschelte ein kleines Tier.
    «Ich könnte dich für immer hierbehalten», sagte Tom.

5.
    Ich schlich mich zur Tür und beobachtete Tom beim Arbeiten. Beide Computer liefen. Vor Tom lagen ein paar Broschüren auf dem Tisch. Eine davon sah wie ein Reiseplan aus, überall waren gelbe Markierungen. Tom kümmerte sich nicht um sein Notebook und machte sich stattdessen ganz altmodisch mit einem gespitzten Bleistift Notizen auf einem gelben Block. Es sah ihm ähnlich, so viel Technik um sich herum zu haben und sie doch einfach zu übergehen.
    Ich ging in die Küche zurück und rührte die Chili-Sauce um. Das ganze Haus roch warm und gemütlich. Ich kramte gerade in den Küchenschränken nach Crackern, als von draußen immer lauter das unverkennbare Dröhnen einer gutgepflegten Harley-Davidson hereindrang.
    «Anscheinend bekommen wir Besuch», sagte ich laut und stellte die Herdplatte aus.
    Tom trat aus dem Arbeitszimmer. Seine Augen waren verschattet. Seine übliche körperliche Gelöstheit war verschwunden und einer Anspannung gewichen, die mich mit Furcht vor dem Menschen erfüllte, den ich auf dem Motorrad sehen würde.
    Die Harley brüllte auf der Lichtung noch einmal auf und verstummte dann. Eine Weile herrschte absolute Stille, bevor die Vögel die Unterbrechung vergaßen und wieder loszwitscherten. Tom ging barfuß zum vorderen Fenster. Er steckte die Hände in die Hosentaschen und holte tief Luft.
    Die Tür flog auf, ohne dass vorher angeklopft wurde. Ein junger Mann trat ein. Das lange, dunkle Haar hatte er zu einem Pferdeschwanz gebunden. Die Jeans waren zerfetzt und die Jacke aus schwarzem Leder. Seitlich am Hals hatte er eine Tätowierung. In beiden Ohren steckten Ohrringe. In der Nase blitzte ein Diamantstecker. Seine Stiefel waren aus Leder, mit silbernen Nieten beschlagen und hatten schon bessere Tage gesehen.
    Seine finstere Miene sagte, dass er nicht froh war, hier zu sein. Als er seine dunkle Sonnenbrille vom Gesicht riss und mich aus weitgeöffneten, braunen Augen ansah, erkannte ich, wer er war.
    Tom trat auf ihn zu.
    «Hallo, David.»
    Der Junge sah seinen Vater und dann wieder mich an.
    «Da hätten wir ja die neueste Frau des Monats, hm?»
    Mein Gesicht brannte vor Überraschung und Empörung. Mein erster Impuls war, mich zu verteidigen, aber das hier war Toms Sohn. Ein langes, spannungsgeladenes Schweigen dehnte sich zwischen uns, während er auf meine Antwort wartete. Ich entschied mich für Höflichkeit.
    «Ich heiße Kelley.»
    Der Junge schnaubte und blickte wieder auf seinen Vater. «Du verschwendest nicht viel Zeit zwischen einer Möse und der nächsten, oder?»
    Tom lief rot an, wahrte aber die Fassung. «Warum bist du hier?»
    «Brauche ich einen Grund, um meinen guten alten Dad zu besuchen?»
    «Ja», sagte Tom einfach, und ich merkte, dass zwischen diesen beiden Männern viel mehr stand als nur die Unverschämtheit eines Halbwüchsigen.
    David sah wieder mich an. Prüfend betrachtete er mich von Kopf bis Fuß und hielt dann absichtlich bei meinerBrust inne. Unter seinem Blick fühlte ich mich schmutzig und besudelt.
    «Hübsch», sagte er gedehnt.
    «Warum bist du hier?», fragte Tom erneut.
    «Wegen Geld», antwortete David unverblümt. «Mom sagt, du hast dieses Semester nicht genug für

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