Hart
wunderschön», flüsterte er.
Plötzlich knisterte die Luft zwischen uns vor Spannung. Daniel fuhr jedem meiner Finger mit seinen schwieligen Fingerspitzen nach. Dabei ließ er meinen Blick nicht los. Ich war mir seiner hochgewachsenen Gestalt sehr bewusst, spürte die Wärme, die von seinem Körper ausstrahlte, und wusste, dass es nur einer Kleinigkeit bedurfte, um viel mehr in Bewegung zu setzen.
Und keiner würde je davon erfahren.
Im selben Augenblick, in dem mir dieser Gedanke in den Sinn kam, wurde ich von Schuldgefühlen überwältigt. Wie auf ein Stichwort hin beugte Daniel sich gleichzeitig über mich und küsste mich.
Seine Lippen waren weich und seine Berührung voll Ehrfurcht. Die Schuldgefühle verschwanden und wichen einem auflodernden Begehren, das an der Grenze zur Raserei war. Ich legte ihm die Hände auf die Schultern, und innerhalb von Sekunden lagen wir beide auf der Couch. Er presste sofort seine Beine zwischen meine und schob mir das Kleid hoch. Ich fuhr ihm mit der Hand durchs Haar. Sein Körper fühlte sich vollkommen fremd und teuflisch verführerisch an.
Ich küsste ihn und vergaß alles andere – Tom, Michael,das Meer, die Bar und was um alles in der Welt ich tun sollte, wenn ich wieder zu Hause war.
Daniels Lippen wanderten meinen Hals hinunter. Er war nicht sanft. Er knabberte, zwickte und biss mich unmittelbar über dem Schlüsselbein. Noch während ich mich ihm entgegenbog, stieß ich ihn weg, weil ich fürchtete, Tom könnte anhand der Spuren mitbekommen, was ich hier auf dieser Insel getrieben hatte. Daniel knöpfte mein Kleid auf und leckte an meiner Brust hinunter. Ich wollte unbedingt mehr und machte die Beine breit, als er die Hand dazwischenschob.
Dann passierte etwas – vielleicht war es ein Geräusch von draußen oder ein besonders einfallender Sonnenstrahl oder die Art, wie Daniel stöhnte, als er mich unter dem Baumwollkleid nackt fand –, was immer es war, es ließ mich erstarren. Mein Herz hämmerte, aber nicht mehr vor Begehren. Ich stieß Daniel heftig an den Schultern weg. Er war bei weitem nicht so groß und stark wie Tom, und ich war kräftig genug, um ihn wegzuschieben.
«Was ist los?», fragte er.
Ich schüttelte den Kopf, schon mit Tränen in den Augen, und biss mir auf die Lippen, um nicht laut herauszuweinen.
Daniel rührte sich eine Weile nicht. Er blickte auf mich hinunter, betrachtete mein Gesicht und fragte sich, was er falsch gemacht hatte. Ich hatte nicht versucht, ihn aufzuhalten; ich hatte sogar mehr als willig mitgemacht. Und jetzt weinte ich?
«Du hast nichts falsch gemacht», flüsterte ich.
Er setzte sich langsam auf und gab mir Zeit, mein Kleid zurechtzuziehen. Wir saßen jeder auf seiner Kante der Couch und sahen einander an. Seine Augen blickten besorgt. Ich war mir sicher, dass in meinen ein Krieg tobte.
«Ich weiß nicht, ob ich mich entschuldigen soll», sagteDaniel hilflos, und daraufhin bekam ich noch mehr Schuldgefühle als ohnehin schon.
«Nein. Entschuldige dich nicht. Du hast nichts falsch gemacht», sagte ich. Die Tränen waren schon versiegt und einer Betäubung gewichen, die mir höllisch Angst einjagte.
Daniel wusste nicht, was er sagen sollte, und ich konnte es ihm nicht verübeln. Er erhob sich von der Couch und sah mich an, unsicher, wo er seine Hände lassen sollte, und ungewiss, wie er mich behandeln sollte, nachdem die Ereignisse sich plötzlich so unerwartet entwickelt hatten.
«Mit mir ist alles in Ordnung», sagte ich, und meine Stimme schien von weit weg zu kommen, so hohl war sie. «Es geht mir gut. Aber würdest du bitte gehen? Es tut mir leid, dass ich etwas angefangen habe, das ich nicht zu Ende bringen konnte. Es liegt nicht an dir. Sondern an mir.»
Daniel rührte sich nicht. «Das war ein hundertprozentiges Klischee», sagte er.
«Aber es trifft zu.»
Er nickte und nahm den Kasten mit den Stiften. Ich sah ihm nach, wie er zur Tür ging und nach draußen trat, ohne sich noch einmal umzublicken.
Ich rollte mich auf der Couch zu einem Ball zusammen. Dieses Gefühl des Abgeschnittenseins war mir vollkommen neu.
So war das also. So fühlte es sich an, wenn man jemanden betrog.
«Es war einfach nur ein Kuss», sagte ich laut. Mancher mochte der Meinung sein, das sei gar kein Betrug gewesen, aber ich kannte mich und mein Herz. Ich wusste, was ich getan hatte.
Ich lag da, bis die Sonne unterging. Der Sturm blies auf die Küste, und ich lauschte, wie er ums Haus heulte. Meine Augen waren rot und
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