Hart
unbeobachtet zu sein. Ich dachte an die dünnen, blassen Kratzer auf seinem Rücken und wie er jedes Mal vor Lust erschauerte, wenn ich ihm die Fingernägel über die Haut zog.
Ich hätte ins Haus gehen sollen. Ich hätte die beiden in diesem intimen Moment auf dem Sand im Mondschein beim Meer unbeobachtet lassen sollen.
Doch ich setzte mich auf die Veranda und sah ihnen zu.
Seine Hände wanderten nach oben, um ihre Brüste zu umfangen. Sie waren kleiner als meine, hochsitzend und straff. Ich hätte gern mehr von ihm gesehen. Ob er wie Tom aussah? Ob er genauso muskulös war? Selbst im Mondschein wirkte seine Haut dunkel.
Das Paar wälzte sich herum. Jetzt war er oben und legte sich ihre Beine über die Schultern. Die feuchten, klatschenden Geräusche waren sogar auf der Veranda zu hören. Er rammelte sie hart und schnell. Ich presste die Beine zusammen und versuchte, nicht auf die Sehnsucht in meinem Körper zu achten. Ich brauchte so einen Fick. Ich brauchte Tom.
Der Mann blickte zum Mond auf und ächzte aus tiefer Kehle. Es war der leise, aber unverkennbare Laut eines Mannes, der völlig in seiner Lust verloren ist. Die Frau antwortete mit ihrem eigenen leisen Schrei. Als sie sich unter ihm aufbäumte, sackte er heftig atmend auf ihr zusammen.
Bald waren die beiden kichernd auf den Beinen. Er ranntenackt zum Wasser und schnappte sich das Bikini-Oberteil, das sie fast ans Meer verloren hätte. Ich sah ganz ohne Scham zu, wie sie sich dort auf dem Strand anzogen. Kopfschlenkernd schüttelte sich der Mann den Sand aus dem Haar, und mir wurde schlagartig klar, dass ich ihn schon einmal gesehen hatte.
Es war der Mann, der mich vom Flugzeug aus hergerudert hatte. Der Mann, der mir die Delphine gezeigt hatte. Adrian.
Ich kicherte in mich hinein und legte das Gesicht an die Knie. Gerade hatte ich ihn beim Sex beobachtet, und in ein paar Tagen würde er genau hierher zum Strand kommen, mich in seinem kleinen Boot abholen und zum Flugzeug bringen. Was würde ich sagen, wenn ich ihn sah? He, Kumpel, gut gemacht?
Ich stand so leise wie möglich auf und schlüpfte schnell ins Haus, damit mein Gelächter nicht verriet, dass sie ein Publikum gehabt hatten. Im Schlafzimmer beförderte ich meine Reisetasche mit einem Fußtritt auf den Boden. Meine Kleider landeten ebenfalls dort. Sekunden später fiel ich ins Bett, plötzlich erschöpft trotz des Schauspiels am Strand, dessen Zeugin ich geworden war.
Ich war beinahe sofort eingeschlafen.
Am nächsten Morgen erwachte ich vom Sonnenschein. Es war ein grausamer Moment, denn ich lag im Inselparadies mit schrecklichen Kopfschmerzen im Bett. Blind tastete ich am Fenster nach Rollos oder Vorhängen, um das Licht auszusperren. Ich öffnete die Augen zu schmalen Schlitzen und blickte nach oben. Das Fenster war vollkommen nackt. Es gab nicht einmal eine Jalousie. Ich wälzte mich auf die Seite und steckte den Kopf unters Kopfkissen, konnte aber nicht mehr einschlafen. Dafür sorgte das Pochen in meinem Schädel.
Ich wälzte mich auf die andere Seite – langsam und vorsichtig – und sah auf die Uhr. Es war neun Uhr früh. Instinktiv schaute ich mich nach einem Telefon um, aber ich wusste schon, dass es sinnlos war. Es gab kein Telefon. Und mein Handy funktionierte definitiv nicht.
Ich konnte Tom nicht anrufen.
Ich blickte zur Decke auf. Dort waren Sterne auf einen tiefblauen Hintergrund gemalt. Warum war mir das am Vortag nicht aufgefallen? Ich betrachtete sie, bis die weißen Punkte verschwammen. Da schloss ich die Augen.
Tom arbeitete jetzt und ging in irgendeiner abgelegenen Stadt den Veranstaltungsort ab, um sämtliche Sicherheitsrisiken aufzuspüren. Heute Abend würde er seinen Anzug und seinen Ohrhörer tragen und sich so vorsichtig und leise unter den Leuten bewegen, dass kaum jemand überhaupt merken würde, dass er da war.
Außer den Groupies.
Ich riss die Augen auf. Mein Kopf pochte noch schlimmer.
Das war einer der Gründe, aus denen ich allein verreist war. Es war ein Test, nicht für Tom, sondern für mich selbst. Er hatte mir nie einen Anlass gegeben, ihm zu misstrauen, und jetzt hatte ich mich in eine Situation begeben, in der ich ihn nicht sicherheitshalber anrufen konnte. Ich konnte auch nicht zu ihm nach Hause gehen. Ich konnte nicht ins Flugzeug steigen und vor Ende der Veranstaltung dort vorbeikommen. Ich musste ihm vertrauen. Mir blieb keine andere Wahl.
Aber es gab so viele Groupies.
«Hör auf damit!», sagte ich laut.
Tom war vom ersten Tag
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