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Hart

Hart

Titel: Hart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Masters
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trocken vom Weinen. Alles tat mirweh, aber es war nicht der süße, zärtliche Schmerz, den ich aus Toms Händen empfing. Es war eine tiefe, herzzerreißende Qual, von der ich glaubte, dass sie nie mehr vergehen würde.
    Ich ging ins Bad und schaute in den Spiegel. Die Frau, die mir entgegensah, war mir unbekannt.
    War es wirklich so einfach? So schnell konnte das gehen?
    So viel also zu dem Podest, auf das ich mich selbst gestellt hatte. Ich hatte meine Treue immer für eine unumstößliche Tugend gehalten. Auf die, die nicht zur Treue imstande waren, hatte ich herabgeblickt – als hätte ich die Selbstgerechtigkeit gepachtet. Beim Gedanken, wie aufgeblasen ich gewesen war, wurde ich glühend rot. Obwohl ich stets meine Abneigung gegen Schwarz-Weiß-Malerei betont hatte, hatte ich das nicht auf mich selbst bezogen. Ich war heuchlerisch gewesen und hatte die Grauschattierungen nicht gesehen.
    Manches war eben nicht schwarz oder weiß, sondern grau. Manche Dinge geschahen ohne Grund.
    Sobald mir das klar wurde, verzieh ich Michael. Einfach so. Schmerz, Wut und Verletztheit waren immer noch da, aber ich sah es jetzt aus einer anderen Perspektive. Wie leicht war es doch, einen Fehler zu begehen. Wie leicht konnte man in etwas hineingeraten, das man nicht erwartet hatte. Wie leicht konnte man ins Wasser waten und unerwartet in eine verborgene Unterströmung geraten.
    Ich betrachtete mich lange im Spiegel. Dann trat ich auf die Veranda und ging die Treppe in den Regen hinunter, obwohl Blitze zuckten und das Meer sich tosend an meinem einsamen Strand brach. Ich stand dort im niederprasselnden Regen und atmete die dunstige Luft so tief ein, dass ich husten und keuchen musste. Die Tropfen weckten mich aus etwas, das mir wie ein sehr langer Schlaf vorkam. Mitjedem Moment fühlte ich mich mehr wie der Mensch, den ich hier hatte finden wollen.
    Ich blieb dort stehen, bis das Unwetter vorüber war. Meine Füße waren unter nassem Sand begraben. Er war schwer, als wollte er mich für immer dort festhalten. Ich beobachtete den Himmel, bis die Wolkendecke sich lichtete und schließlich der Mond hervorbrach und alles in seinem bleichen Licht badete. Die Sternbilder standen hier auf dem Kopf, sie sahen anders aus als von Toms Veranda. Aber es waren trotzdem dieselben.
    Es war Zeit, nach Hause zurückzukehren.

13.
    Genau wie auf dem Hinflug landete das Flugzeug pünktlich. Die Sonne strahlte auf die Landebahn. Während des ganzen Flugs war keine einzige Wolke am Himmel gewesen. Es war ein guter Tag, um mit dem ATV oder mit dem Boot unterwegs zu sein. Auf dem Rückflug hatte ich an kaum etwas anderes gedacht, doch jetzt überkamen mich Zweifel.
    Würde Tom da sein, um mich abzuholen?
    Was ich in dem Inselparadies gemacht hatte, würde Tom schrecklich verletzen. Ich war nicht der Typ Frau, der betrog, und was ich getan hatte, reichte, um mich mit ständigen Schuldgefühlen zu erfüllen. Aber das, was auf der Insel passiert war, hat mir gezeigt, was ich wirklich wollte.
    Ich wollte Tom.
    Ich blieb auf meinem Platz sitzen, während die Leute um mich herum ihre Sachen aus den Gepäckfächern holten. Ich hatte nur die kleine Tasche auf meinem Schoß dabei. Als im Mittelgang eine Lücke entstand, holte ich tief Luft und fädelte mich ein, wobei ich versuchte, nicht ein letztes Mal zum Parkplatz zu schauen, um Toms Geländewagen zu suchen.
    Die Stewardess verabschiedete uns mit einem künstlichen Lächeln, und dann ging ich die Rampe zu dem hellerleuchteten Terminal hinunter, wo glückliche Kinder auf ihre Eltern zurannten und Geschäftsleute schnurstracks zum Gepäckband eilten. Liebende trafen sich wieder und feierten das mit Küssen und Umarmungen. Der eine oderandere Reisende ging langsam zum Ausgang, ohne besondere Eile, da ihn niemand abholen würde.
    Ich stand in der Mitte des Terminals. Allein.
    Aufmerksam schaute ich in jeden Winkel der Halle und spähte auf der Suche nach Tom in die Buchhandlungen und Cafés. Ich versuchte, nicht in Panik zu geraten. Er wusste, dass ich heute zurückkommen würde, aber am Telefon war er so kurz angebunden gewesen, als wüsste er bereits, was ich getan hatte – was natürlich unmöglich war. Trotzdem setzten die Zweifel mir zu. Vielleicht würde er mich doch nicht abholen.
    «He, Fremde.»
    Ich fuhr herum und sah ihn auf mich zukommen. Seine Augen waren hinter dem Schirm einer Baseballkappe verborgen. Sein Hemd war zerknittert, als hätte er gerade ein Nickerchen im Sessel gemacht. Er kam ohne das

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