Hart
vorbeisausen, die manchmal aus Neugier langsamer wurden.
«Kelley?»
Ich musste es ihm erzählen. «Ich habe mich betrunken, und dann ging ich heim und schlief, und am nächsten Morgen war mir schrecklich schlecht, und ich dachte über zu vieles nach, und als ich dann wieder nüchtern war, habe ich etwas getan, was ich niemals hätte tun sollen, und es tut mir schrecklich leid, Tom.»
Tom sah mich lange an. In seinen Augen war kein Verstehen zu lesen. Er hatte keine Ahnung, wovon ich sprach. Das, was ich sagte, hatte er nicht wirklich zur Kenntnis genommen.
«Es tut dir leid, dass du dich betrunken hast?», fragte er.
Sein Tonfall schmerzte mich wie ein Messer im Bauch. Er war so vertrauensvoll, es wäre ihm nicht im Traum eingefallen, dass ich mich jemand anderem zugewandt haben könnte. Er erinnerte mich so sehr an mich selbst, wie ich gewesen war, als ich noch alles glaubte, was Michael mir sagte.
Ich würde so etwas wie mit Michael nicht zulassen. Ich würde kein Gespenst zwischen uns dulden.
«Es tut mir leid, dass ich etwas getan habe, was ich nicht hätte tun sollen», sagte ich, und wieder spürte ich, dass Tom nichts begriff. Sein Blick war nahezu leer.
«Du hast getrunken …»
«Ich hätte fast mit einem anderen geschlafen», stieß ich hervor.
Tom blickte mich lange an. Dann sah er starr geradeaus durch die Windschutzscheibe, während auf der Fahrbahn die Autos vorbeischossen. Er zwinkerte ein paar Mal und holte tief Luft. Ich beobachtete seine Hände, als er sie behutsam öffnete und sich bewusst darum bemühte, das Steuerrad nicht mit aller Kraft zu umklammern. Ein kleiner Muskel an seinem Mundwinkel zuckte.
«Warst du betrunken?», fragte er vorsichtig.
Bis zu diesem Moment war mir gar nicht der Gedanke gekommen, dass er mir eher vergeben würde, wenn ich berauscht gewesen wäre. Dann könnte ich sagen, dass ich nicht ich selbst gewesen sei. Er könnte sagen, ich sei verführt worden. Er müsste dann nicht den widerwärtigen Gedanken schlucken, dass ich etwas Derartiges getan hatte, während ich vollständig bei Verstand gewesen war.
Zum ersten Mal erwog ich, Tom zu belügen. Aber mein Schweigen hatte schon zu lange gedauert, und bevor ich die Worte aussprechen konnte, die mich von der schwersten Schuld befreit hätten, sprach Tom erneut:
«Dein Schweigen sagt mir, dass du nicht betrunken warst.»
Ich lehnte mich gegen das Armaturenbrett und schüttelte immer wieder den Kopf. Wie waren wir nur hier gelandet – im Wagen am Straßenrand, weit weg von allen, die ein geschäftiges, produktives Leben führten, während wir unser eigenes Leben durch ein Erdbeben bedroht sahen, das vielleicht nur noch Trümmer hinterlassen würde.
Ich begann zu weinen. Ich versuchte, meine Tränenzurückzuhalten – schließlich war ich die Schuldige, und wenn jemand das Recht auf Tränen hatte, dann war das Tom und nicht ich –, aber je länger Tom schwieg, desto mehr schwand meine Kontrolle dahin. Es kam nichts von ihm, keine Zärtlichkeit, keine Berührung meines Rückens oder freundliche Worte, die mir die Situation erleichtert hätten.
«Ich möchte alles wissen», sagte er. «Nein. Wenn ich es mir recht überlege, möchte ich nicht alles wissen. Beschränke dich auf das Wesentliche.»
Ich setzte mich schniefend auf. «Das Wesentliche?»
Tom starrte aus dem Fenster. Er hatte die Zähne fest zusammengebissen. Mir kam in den Sinn, dass seine Vorgeschichte ihn in einem solchen Moment zur Gewalt verleiten könnte, und ich war mir außerdem sehr bewusst, dass er entschlossen war, das zu vermeiden.
«Ich sollte dich eigentlich alles haarklein erzählen lassen», sagte er. «Ich sollte dich damit quälen, dass du dich bis in die letzte Einzelheit an das erinnern musst, was du getan hast.»
Ich nickte und versuchte, ihn anzusehen, fand aber nicht die Kraft dazu.
«Aber damit würde ich mich selbst quälen, nicht wahr?» Tom wandte sich mir so unvermittelt zu, dass ich vor ihm zurückzuckte. «Hast du richtig mit ihm geschlafen?»
Toms Augen waren so dunkel wie noch nie. In den Augenwinkeln schimmerten Tränen – ob vor Schmerz oder vor Zorn wusste ich nicht.
«Nein.»
«Hättest du gerne?»
Ich schluckte einen Schluchzer hinunter und dachte daran, wie ich mit Daniel auf der Couch gelegen hatte. Allzu weit waren wir nicht gegangen, aber hatte ich mehr gewollt?
«Ich weiß es nicht», sagte ich ehrlich. «Aber ich glaube nicht.»
«Was hat dich daran gehindert?»
Da blickte ich zu Tom
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