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Harte Schule

Harte Schule

Titel: Harte Schule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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mit Marquardt?«
    »Er hat TVCinema beim Finanzamt angezeigt.«
    »Oh! In welcher Verbindung stand er denn mit denen?«
    »Das hätten wir ihn auch gern gefragt.«
    Ich rührte im Kaffee und wünschte mir Kaffeesatz, der mir zwei Fragen beantwortete: Sah Richard die Ermittlungen gegen Holzer durch meine Recherchen im Fall Marquardt wirklich gefährdet? Die Antwort war leicht: Er sah sich immer gefährdet. Und zweitens: Warum war er so kühl zu mir?
     
    Ich versumpfte die Nacht mit Sally. Morgens um sieben klingelte Oma Scheible mich mit einer verwickelten Geschichte aus dem Bett, die von in die Papiertonne geratenen Milchtüten handelte. Ich verstand das Problem nicht, denn es war Oma Scheible selbst, die meine Wohnung in Ordnung hielt und meine Milchtüten entsorgte, doch dann ging mir auf, dass die Alte sich selbst vom Verdacht des Irrtums reinigen wollte, um ihn auf die Matuscheks im Erdgeschoss zu lenken. Ausländer begriffen den Ernst der Mülltrennung ja nie. Als sie auf Salmonellen kam, war ich so wach, dass es mir gelang, den auswurfreichen Bericht über den Kartoffelsalat-Tod eines Bekannten zu unterbrechen.
    Isolde traf zehn Minuten nach mir im Büro ein. Ich schlürfte noch den Kaffee und beglückwünschte mich zu der Entscheidung, die Zeit zwischen Oma Scheibles Salmonellen und dem Aufbruch zur Arbeit nicht an Kaffee, sondern an den Kleiderschrank verschwendet zu haben. Isolde trug zwar Hosen, aber – du lieber Himmel! – sie illustrierte damit nur, warum in erzkatholischen Mädchenschulen das Tragen von Hosen bis vor kurzem noch verboten war. Der schwarze Stoff floss über die Rundungen, und die gebügelte Naht versickerte im süßen Durchblick zwischen Schenkeln und Schambein. Ein Bolero aus braunem Patchwork über einem Body richtete weite re hormonelle Verheerungen bei mir an. Venezia hatte sie etwas zu eilig aufgetragen, aber der Duft würde sich im Lauf des Tages mildern und mit einem Hauch geschäftigen Schweißes zu purer Erotik mischen. Ich hatte mich um textile Kontinuität bemüht, die Signale aber leger gedämpft: schwarze Jeans, dunkelgrünes Hemd mit weißem T-Shirt darunter, den Binder locker geknüpft, dazu einen grauen Fischgrätenblazer.
    Und schon klingelte das Telefon. Der Anruf kam über die Zentrale. »Hallo, hier ist Steffi. Sie wissen, wer ich bin?«
    »Wie könnte ich das vergessen.«
    Das Mädel kicherte. Im Hintergrund gellte Schulhofgeschrei.
    »Also Frau Nerz …«
    »Lisa.«
    »Äh, also Lisa … ich weiß nicht, wie ich Ihnen … wie ich dir das erklären soll. Außerdem ist die Pause gleich rum … Könnten Sie … ich meine, könntest du nicht mal ganz kurz kommen? Es wäre voll wichtig. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin da voll in was reingeraten. Kannst du nicht kommen?«
    »Gleich?« Die große Pause war halb elf zu Ende. Das schaffte ich nicht mal mit dem Hubschrauber. »Also dann zur nächsten Pause, Viertel nach elf, richtig?«
    »Porno! Das ist voll nobel von Ihnen … von dir.« Die Stimme zappelte förmlich. »Danke.« Das Schulgeschrei erstarb, die Bürogeräusche übernahmen wieder. Isolde fummelte am Ohrring und starrte auf die Pressemitteilungen und Einladungen.
    »Sie gehen zu Maier«, eröffnete ich ihr, »und fragen ihn, ob er was für Sie hat. Ich bin in zwei Stunden wieder da.«
    Isolde ließ den Ohrstecker los. »Könnte ich nicht mitkommen? Ich meine, wie man Pressemitteilungen abschreibt, weiß ich doch schon.«
    »Ich auch, und trotzdem mache ich es jeden Tag.«
    Sie biss sich auf die Lippen.
    »Nicht traurig sein«, sagte ich. »Das nächste Mal nehme ich Sie mit. Aber jetzt muss ich zu einem Informanten. Übrigens, Sie brauchen meinen Schreibtisch nicht aufzubrechen. Dieser Informant steht nicht in mei nen Karteien.«
    Sie senkte den Kopf. Zwischen Blusenkragen und Haarspitzen flaumte ein delikates Stück Hals.
    Der Ostwind trug vom Acker einen Hauch von Gülle bis zum Parkplatz am Pressehaus. Im blauen Dunst jenseits der Fudern – hochdeutsch: Felder – mauerte der Trauf der Schwäbischen Alb. Bei klarem Wetter konnte ich sogar mein Kaff unterhalb der Scharte der Achalm ausmachen. Deshalb war mir Nebel lieber.
    Die Stadtautobahn sauste salzig zwischen Musical-Häusern und verschneitem Land nach Degerloch hinein und verkümmerte an Ampeln zwischen gläserner Geschäftshausarchitektur und Parkhäusern. Von der Weinsteige aus überblickte man das Gedränge im Kessel, das Streben die Hänge hinauf, das Entschwinden der Stadt über den

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