Harte Schule
verschafft mir die Ehre?«
»Gewisse Vorgänge im Paul-Häberlin-Gymnasium. Du hast vor sechs Jahren über den Wechsel im Rektorat berichtet.«
Krk röchelte. »Der Schulhofmord. Ich hab’s in der Zeitung gelesen. Aber diesen Marquardt kenne ich nicht. Moment mal …«
Ich hörte schabende Liebesgeräusche und ein ge schmatztes »Bis gleich«. Es war nicht Krks Flüsterstim me, sondern die eines anderen, und zwar nicht die einer Frau.
»Entschuldigung«, hustete Krk. »Wo waren wir? Ach ja, Marquardt. Wie gesagt …«
»Ich wollte eigentlich was über Otter hören. Du hast erwähnt, er sei der Schwager des Kultusministers, als ob es da nicht mit rechten Dingen zugegangen wäre.«
Krk räusperte sich. »Wilhelm Otter, verheiratet mit der späten Tochter der Familie Bollach, einer wackeren kleinen Frau, die ihm vor fünf Jahren einen Sohn schenkte. Otter ist eindeutig der Schwager, gell? Fischaugen, brei ter Arsch, steht auf Boys.«
»Das darf doch nicht wahr sein!«
»Bist du geschockt?«
Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass Krks Frage nicht Otter galt, sondern seinem eigenen Coming-out.
»Natürlich nicht.«
Was war schon natürlich an Krks Existenz? Er war als Lehrer einst wegen sexueller Belästigung im Zusammenhang mit Aktfotos im Kunstunterricht angeklagt und freigesprochen worden, von seiner Frau geschieden, die ihn geprügelt hatte, dann von mir vergewaltigt und nun endlich frei, sich seine Sexualpartner selbst zu suchen.
Ich beglückwünschte ihn. »Und wo geht man heutzutage so hin? Zum Beispiel in den Club in der Wörrishofener Straße?«
»Da war ich noch nie. Aber mein Chef führt gern interessierte Gäste hin. Wenn du willst, dann schauen wir uns das mal an.«
Ich schluckte.
»Na, Bruder, hat’s dir die Sprache verschlagen?«, höhnte er.
»Okay. Morgen Abend um neun. Aber wir treffen uns vor der Tür.«
Krk lachte. Eine blicklose Stille blieb zurück, als ich auflegte, wie wenn man den Teddy in die Kinderkiste auf dem Speicher zurücklegt, ohne dessen tröstende Knopfaugen man einst nicht hatte einschlafen können.
7
Feiner eisiger Nieselregen ging nieder. Ein Polizeiwagen fuhr am Schultor vor. Zwei junge Schutzpolizisten stiegen aus, stülpten sich die Mützen über und stakten zum Tor. Isolde, die schon die Hand am Türgriff hatte, sank wieder in den Autositz zurück und rieb sich die behandschuhten Hände.
»Was die wohl wollen?«, murmelte ich. Ich wusste es ja, aber Isolde hätte sich ruhig ein wenig darüber wun dern können. Wir saßen zwar erst seit einer halben Stun de in meinem Auto, halb versteckt an der Ecke neben dem Bäcker, aber die feuchte Kälte verdoppelte jede Sekunde des Wartens. Ich wunderte mich immer noch, dass Isolde sich auf das Spiel eingelassen hatte, das zu den blödesten des Journalismus gehörte. Meist wartete man in zugigen Foyers darauf, dass die Gewerkschaftler endlich vor die Presse traten, aber da wusste man immer, wo sich die Zielpersonen befanden. Ob unsere Zielperson auftauchen würde, war alles andere als gewiss. Außerdem hatte ich Isolde nicht verschwiegen, dass Elsäßer solche Art des Boulevard-Journalismus im Allgemeinen und Nachforschungen im Schulhofmord im Besonderen ablehnte.
Weil Isolde heute früh die bläulich-rötliche Stelle auf meinem Backenknochen nicht kommentiert hatte, verzichtete ich darauf, im Auto zu rauchen, auch wenn mein Hirn deshalb in einem gefriergetrockneten Zustand verharrte und der Smalltalk mit meiner schönen Begleiterin nicht recht in Gang kam. Ich hätte ihr sagen können, dass in diesem Moment die Staatsanwaltschaft TVCinema durchsuchte und ihren Freund festnahm. Unserem Wirtschaftsredakteur hatte ich heute früh den Tipp gegeben, damit er einen Fotografen zum Südmilchgelände schi cken konnte, ehe die Aktion vorbei war. Während ich darüber grübelte, ob es die Mitmenschlichkeit gebot, meine Kollegin auf Zeit über die Katastrophe zu informieren, die sie Freund und Zukunft kostete, und die Frage als zu kompliziert verwarf, erscholl die Pausenklingel. Hinter den Gattern und Zäunen des Schulbereichs blitzte ja ckenbuntes Leben. Oberstufenschüler strömten zum Bäcker.
Zwischen ihnen huschte Steffi zur öffentlichen Telefonkonsole. Ich bedeutete Isolde, sitzen zu bleiben, und stieg aus dem Auto. Steffi zählte die Münzen in der Hand und fuhr zusammen, als sie mich erblickte.
»Porno! Kannst du Gedanken lesen? Gerade wollte ich dich anrufen. Ich kann nichts dafür. Ich schwör!«
»Hast du
Weitere Kostenlose Bücher