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Harte Schule

Harte Schule

Titel: Harte Schule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Arbeit auf den Tisch, dass sie darüber hinwegschoss, und rannte hinaus. Die rothaarige Lehrerin wandte sich wieder ihrer Kladde zu. Zeller ging um den Tischblock herum und bückte sich nach der Arbeit. Isolde kam, die Hand voller Schlüssel, mit Mechthild zurück.
    Hinter den Schranktüren befanden sich zwanzig Schließfächer. Sie waren zum Teil beschriftet, aber keines trug den Namen Marquardts. Eines unten rechts war unbeschriftet, aber verschlossen. Isolde zauderte. Ich nickte ihr zu. Sie ging in die Hocke und fing an, die Schlüsselchen eines nach dem anderen auszuprobieren.
    Zeller erinnerte sich der Umgangsformen und bot Ungerer einen Kaffee an. Sie holte ihren schwarzen Blick aus der Verlorenheit, fokussierte den Lehrer und nickte mäuschenhaft.
    »Mein aufrichtiges Beileid«, sagte Zeller. »Wir können die feige Tat immer noch nicht fassen.«
    »Ich habe«, wisperte Mechthild, »meinen Bruder seit acht Jahren nicht mehr gesehen. Ich lebe mit meinem Mann und meinem Sohn in München. Jürgen ist nicht mal zur Beerdigung unseres Vaters gekommen.«
    Zeller schaute hilflos.
    Inzwischen hatte Isolde alle Schlüssel durchprobiert und stand mit knacksenden Knien auf. Zeller reichte Mechthild eine Tasse Kaffee. Sie rührte mit leerem Blick. Ich übernahm die Schlüssel von Isolde und ging in die Hocke. Das Schloss hätte nicht mal für eine Büroklammer eine ernsthafte Herausforderung dargestellt, nur konnte ich unter den Augen der Anwesenden nicht mit Draht darin herumstochern. Also spielte ich mit den vorhandenen Schlüsseln, bis einer von ihnen griff. Das Türchen schwang auf.
    »Leer«, sagte Isolde enttäuscht.
    »Nein.«
    Ganz hinten irisierte eine kleine Plastikscheibe. Eine CD. Man musste schon auf die Knie gehen und sich, den Arsch nach oben, ins Fach beugen, um sie zu sehen. Isol de kam herunter. Der Duft ihres Parfüms streifte mich. Sie streckte die Hand aus, aber ich fiel ihr in den Arm. »Besser wir holen die Polizisten, falls sie noch bei Otter sind.«
    Isolde sah plötzlich aus wie die blonde Agentin aus dem Streifen Der Spion, der aus dem Lehrerzimmer kam, und ging den Rektor holen. Die Bullen kamen mit. Einer ging in die Knie, steckte den Kopf ins Fach, langte hinein und grabschte die CD mit seinen Fettfingern heraus. Sie hatte weder Hülle noch Beschriftung.
    Otter sagte: »Wahrscheinlich Unterrichtsmaterial. Ich werde das überprüfen.«
    Der Polizist übergab die Scheibe an Otter.
    »Hier wurde ein Mensch ermordet«, sagte ich so sach te wie möglich. »Vielleicht sollte man die CD zunächst der zuständigen Soko überstellen. Nur für alle Fälle.«
    Der Polizist besann sich und übernahm die CD wieder. Zeller sah nicht so harmlos aus, wie er tat. Otter kehrte den gehetzten Schulleiter raus und verabschiedete sich mit den Worten, damit sei ja so weit alles besprochen.
    Kaum waren auch die Polizisten raus, stand die rothaarige Lehrerin hinter uns auf und sagte mit reifer tiefer Stimme: »Ich bin doch einigermaßen erstaunt, Herr Zeller, dass Sie dem Treiben dieser fragwürdigen Zeitungsjourna listin zuschauen wie ein Schuljunge. Ich darf Sie daran erinnern, dass wir erst gestern einstimmig den Beschluss gefasst haben, der Presse keine Auskünfte zu geben.«
    Zeller sah aus wie ein Frauenhasser.
    Die Augen der Lehrerin bohrten sich nun in meinen Backenknochen. »Und Sie … Sie sind Frau Nerz, nicht wahr? Hoffentlich sind Sie sich im Klaren darüber, dass diese Art von Sensationsjournalismus nicht die Billigung meines Mannes findet. Was Sie hier tun, tun Sie auf eigene Verantwortung und ohne dazu in irgendeiner Form autorisiert zu sein.«
    Isolde lief rot an.
    Das war dann also Frau Müller-Elsäßer. Sie hielt ihren Schwertblick allerdings nicht lange durch, wandte sich drahtig ab, schnappte die Trillerpfeife und ging aus dem Zimmer, etwas steif wie jemand, der endlich mal gesagt hat, was Sache ist, und nun den Blick der Abgekanzelten auf seinem Hintern spürt.
    Zellers Lippen kräuselten sich auf eine Art zu einem Lächeln, die ich schon bei meinem Geschichtslehrer gehasst hatte. Von dem Panzer zynischer Vernunft prallte alle Aufgeregtheit als Torheit auf den Angreifer zurück. Wenn es ihn ärgerte, dass ihn eine halbe Lehrkraft abgeseift hatte, so wuchs er daran nur. Schwungvoll sammelte er Geodreieck und Zirkel zusammen und fischte ein Mathematikbuch aus dem Aktenkoffer auf seinem Stuhl.
    Isolde fummelte sich das Haar hinters Ohr und schaute notgepeinigt auf den Teppich. Es war Zeit zum

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