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Harte Schule

Harte Schule

Titel: Harte Schule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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mit unzähligen goldenen Kreolen unters künstlich rote Haar gestützt. Sie blickte nicht auf, als Isolde ihr ein ausdrückliches »Guten Morgen« zukommen ließ, das für meinen Geschmack zu vertraulich war.
    Zeller stand an seinem Platz, vor sich den Stapel feuchter Klassenarbeiten. Während er noch damit zu tun hatte, die Invasion fremder Gesichter ins Allerheiligste mit Fassung zu ertragen, stürzte sich Steffi in wortreiche Beteuerungen ihrer Unschuld. Er unterbrach sie mit ei nem strikten: »Wir alle kennen doch dein unterentwickeltes Unrechtsbewusstsein.«
    Isolde übernahm erneut die Honneurs. »Frau Ungerer möchte die Sachen von ihrem Bruder abholen.«
    Zeller kratzte sich den Schädel und schaute zu Marquardts leerem Fach hinüber.
    »Gibt es keine Schließfächer?«, erkundigte ich mich.
    Zellers Auge fiel auf den Schrank neben dem Kopie rer. »Ich weiß nicht, ob Marquardt eines belegt hatte. Da müssen Sie Frau Bluthaupt fragen.«
    Ungerer sah aus, als hätten sie beim Eintritt ins Lehrerzimmer kindliche Traumata paralysiert. Isolde nahm sie erneut am Ellbogen und schleppte sie Richtung Sekretariat ab. Unterdessen warf ich einen Blick in die durchweichten Mathearbeiten. »Viel haben sie ja nicht abgekriegt.«
    »Kugelschreiber übersteht Regen«, antwortete Zeller grinsend. »Mit Tinte schreibt ja heute niemand mehr. Darf ich fragen, was Sie schon wieder hier machen?«
    »Sie kann bezeugen«, platzte Steffi heraus, »dass ich es nicht war, die wo die Tests rausgeschmissen hat. Ich habe nämlich bei ihr übernachtet!«
    »Bei ihr?!« Auf Zellers abgekämpftem Gesicht entstand peinliche Verblüffung. Gestern hatte er mich als Mann abgespeichert. »Entschuldigen Sie.«
    »Schon gut«, sagte ich. »Das geht vielen so.«
    Steffi durchforstete unterdessen den Stapel der Tests. »Ich versteh nicht, warum meiner fehlt. Der wo das getan hat, gehört zurückgefickt und abgetrieben.«
    »Steffi, nicht in diesem Ton!«, bellte Zeller. »Und Finger weg!«
    »Selber Finger weg!«, schrie Steffi zurück. »Nur weil Sie zufällig Lehrer sind, haben Sie mir noch lange nichts zu befehlen. Es geht um meine Ehre. Aber das verstehen Sie ja nicht. Für Sie haben wir überhaupt keine Ehre.«
    »Mach dich doch nicht lächerlich«, sagte Zeller. »Als ob dir überhaupt was an der Schule liegen würde. Deine Versetzung ist so gut wie ausgeschlossen mit einer glatten Sechs in Mathematik.«
    »Ha, das sagen Sie! Aber vielleicht habe ich ja einen Dreier geschrieben, und Sie haben den Test verschwinden lassen, weil Sie nicht wollen, dass ich versetzt werde. Sie wollen mich aus der Klasse haben, weil ich mir nicht alles gefallen lasse, so wie die andern. Aber das können Sie mit mir nicht machen. Lisa ist nämlich von der Zei tung, und wenn ich ihr gewisse Dinge erzähle, dann se hen Sie nämlich ganz schön alt aus.«
    Ich staunte nur noch über den Ton, der hier herrschte.
    »Sei nicht albern«, sagte Zeller schwach.
    »Wer ist denn hier albern?«, keifte Steffi. »Sie und der Direx nämlich. Sie haben doch die Esoterik-AG verbo ten. Sie sind ja nur neidisch, weil der Marquardt so gut mit uns klarkam.«
    »Steffi, du weißt genau, dass wir die AG nicht verbo ten haben. Wir wollten nur, dass sie nachmittags stattfindet statt am Abend. Der Hausmeister will auch irgendwann mal Schluss haben, außerdem geht es nicht an, dass die Schüler erst um halb neun oder neun aus der Schule rauskommen.«
    »Und wie soll das gehen bei dem vielen Nachmittagsunterricht? Hä? Dienstagabend war der einzige Termin, wo alle konnten. Aber jetzt haben Sie ja, was Sie wollten.«
    Der Lehrer sah aus, als würde er gerne ohrfeigen. Steffis Augen blitzten. Beide waren nahezu gleich groß.
    »Steffi«, sagte ich. »Halt mal die Klappe.«
    Die Lehrerin, die bislang mit von rotem Haar verhängten Ohren über ihrer Kladde gebrütet hatte, schaute hoch.
    Steffi schluckte.
    »So«, sagte ich, »und aus welchem Fenster sind die Klassenarbeiten nun geflogen?«
    Zeller deutete auf das mittlere Fenster. Unter dem Fensterbrett liefen Schränkchen entlang. Man musste sich ganz schön weit vorbeugen, um auf den Schulhof blicken zu können. Das war mir gestern gar nicht aufgefallen.
    »Fassen Sie mal mit an.«
    Zeller und ich rückten das Schrankelement unter dem Mittelfenster hervor. Ein Griff, und ich konnte Zeller Steffis Test überreichen.
    Er lächelte verzwickt. »Schwein gehabt.«
    Steffi stürzte vor, riss ihm die Blätter weg, sah den Sechser, fluchte, schmiss die

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