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Harte Schule

Harte Schule

Titel: Harte Schule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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dert. Marko war derselbe, der heute früh die 8 b verlassen hat te. Die Aquamarinblonde hieß Steffi Bach, vierzehn Jahre. Marquardt lächelte vollbärtig in die Kamera wie einer, der sich berufen fühlte, wozu auch immer. Die Notiz, die Ruth Laukin nach der geplatzten Premiere verfasst hatte, offenbarte den ganzen Unmut der gelackmeierten Lokaljournalistin.
    »Und noch was«, sagte Becker. »Eine Schülerin namens Birgit L. – Name von der Redaktion geändert – wirft dem Deutschund Ethiklehrer des PHG sexuelle Belästigung vor. Das war im letzten August. Er soll sie in den Sommerferien angerufen und sie bekniet haben, mit ihm zu verreisen. Zwei Tage später gibt die Polizei bekannt, das Mädchen habe sich in Widersprüche verwickelt und schließlich eingeräumt; den Vorwurf erfunden zu haben, um die Aufmerksamkeit des Lehrers zu erregen.«
    »Eieiei.«
    »So was kommt in den besten Schulen vor«, sagte Be cker. Sie hüstelte. »Ich … ich hätte mich beinahe wegen eines Lehrers umgebracht.« Sie sah mich mit ihren liebebedürftigen Augen an. »Es war der Lateinlehrer, ein Mann mit schiefen Schultern, unverheiratet, aber wenn er lächelte, sah er so bübisch aus, und er sang wunderbar, mit hoher reiner Stimme. Eines Tages war ich einmal spät dran und ging nachmittags mutterseelenallein durch das große leere stille Schulhaus. Da sah ich plötzlich den Lehrer, meinen göttlichen Lehrer, zusammen mit dem Sohn vom Hausmeister. Ich weiß nicht, was ich gesehen habe, aber es war so schrecklich, dass ich heimging, ei nen Abschiedsbrief schrieb …«, sie lächelte schief, »… einen sehr schwülstigen, und den Rest aus der Spiritusflasche trank. Es war nur ein kleiner Rest, und so konnte ich den Abschiedsbrief noch vernichten.«
    Ich ging bei Ruth Laukin vorbei, die mir bestätigte, dass der Bericht über die Theater-AG auf Betreiben Marquardts zustande gekommen war. Er habe mehrmals angerufen und sie nebenbei für sich zu interessieren versucht und für seinen Kampf gegen den Rektor, der die Deutschergänzungskurse für ausländische Schüler strich zugunsten eines forcierten Ausbaus der EDV-Einheiten. »Er fühlte sich politisch behindert«, resümierte Laukin. »Der reine Verfolgungswahn. Jedenfalls berichte ich nie wieder über ein Schülerprojekt, bevor es abgeschlossen ist!«
    Isolde saß immer noch in meinem Kabuff und surfte durch die Agenturmeldungen. Es war sechs Uhr.
    »Feierabend«, sagte ich.
    »Ich dachte, Redaktionsschluss ist um acht. Allerdings müsste ich heute ausnahmsweise mal um sieben gehen. Mein Freund und ich, wir wollten in die Oper …«
    »Gehen Sie!«
    »Hören Sie, es tut mir wirklich leid, das vorhin. Ich dachte … ich wollte nur die Handynummer des Pressesprechers von DaimlerChrysler …«
    »Stehen Sie auf!«
    Sie hob die Brauen.
    »Sie sitzen auf meinem Stuhl.«
    Isolde lächelte, als gelte es, das ganze Opernpublikum auf meine gelbstrümpfige Lächerlichkeit hinzuweisen, stand auf, langte nach dem Kamelhaarmantel und prallte im Umdrehen gegen einen Herrn in maßgeschneidertem braunem Dreiteiler mit gestreifter Krawatte, der einen kuhdungbraunen Trenchcoat über dem Arm trug.
    »Darf ich vorstellen: Isolde Ringolf, Volontärin. Oberstaatsanwalt Dr. Richard Weber.«
    »Angenehm«, sagte Richard. »Habe ich Ihren Namen nicht schon in der Süddeutschen Zeitung gelesen?«
    Isolde wurde souverän. »Ich möchte den Journalismus gewissermaßen von der Pike auf lernen, bevor ich die Pressestelle von TVCinema übernehme.«
    »Eine interessante Aufgabe«, bemerkte Richard.
    »Ich hoffe, dass ich ihr gewachsen bin«, sagte Isolde.
    »Daran besteht kein Zweifel«, antwortete er, »vor al lem, wenn Sie durch die Schule von Frau Nerz gegangen sind und sie überlebt haben.«
    Isolde lachte heftig. Richard wandte sich mir zu. »Wann bist du hier fertig?«
    Das Du brachte Isoldes Ohren in Lauscherposition. Doch statt still die falschen Schlüsse zu ziehen, hielt sie den Staatsanwalt für den richtigen Mann, ihm vom Schulhofmord zu berichten. »Und stellen Sie sich vor«, schwärmte sie, »das lässt die Schüler völlig kalt.«
    Richard runzelte die Stirn und zog eine gelbe Schachtel American Spirit aus der Jacke. Er missbilligte nicht die Sprachlosigkeit der heutigen Jugend, sondern jegliche Begeisterung für Leichen. Er schätzte weder meinen Beruf noch meine Umgangsformen noch meinen Kurzhaarschnitt. Sein Frauenbild – das Zentrum jeder männlichen Existenz – erlitt ständig neue

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