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Harte Schule

Harte Schule

Titel: Harte Schule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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ausgesetzt. Wenn ich den Arm vors Gesicht hob, rastete sie vollends aus, als ob ich ihr mit dem Schutzreflex hätte vorwerfen wollen, dass man vor ihr Angst haben musste, weil sie unberechenbar und sinnlos prügelte. Dann trimmte sie mir die Frechheit und den Trotz aus dem Leib. Es gab nur einen einzigen Beweis von Einsicht, der sie ein Einsehen haben ließ und die Dresche milderte: Ich musste den Hosenknopf selber aufmachen, und zwar mit der Hand, die ich schützend erhoben hatte, und wenn es nicht klappte, dann hagelte es Kopfnüsse. So oder so legte sie mich übers Knie, und ihre Fingernägel ratzten, wenn sie mir die Hose vollends vom Po zog, und dann pfefferte sie, bis ich heulte, denn ein Kind, das nicht heulte, war bockig und uneinsichtig.
    Beckstein hatte harte Schenkel. Zabel/Juncker hielten mich einer im Nacken, der andere an den Füßen. Als Beckstein fertig war, ließen sie mich einfach von ihren Knien gegen die Tischbeine auf den Boden plumpsen. Diesmal bekam ich den Schlüpfer zuerst in den Griff. Ich fühlte nichts mehr und zitterte nicht mehr und unterschrieb das Geständnis. Vielleicht waren sie doch Menschen und ließen mich noch eine letzte Zigarette rauchen.
    »Warum nicht gleich so«, sagte Beckstein und nickte ihren Gehilfen zu. Zabel oder Juncker – sagen wir Zabel – nahm meinen Pullover vom Boden und drehte ihn, während Juncker mir den Arm auf den Rücken drehte, zu einer Schlinge. Er stieg auf den Stuhl, nahm die Deckenlampe vom Haken und hängte das gedrehte Baumwollgestrick hinein. Ich trat Juncker gegen das Schienbein, doch die nackte Ferse war nicht sehr wirkungsvoll. Er brach mir dafür fast das Ellbogengelenk. Zabel sprang vom Stuhl und schob den Tisch beiseite. Juncker dirigier te mich zum Stuhl. Ich kickte den Stuhl weg. Zabel hieb mir die Faust in den Magen. Ich fragte mich, wie sie meinen Selbstmord erklären wollten, wenn meine Leiche so viele Zeichen äußerer Gewalteinwirkung aufwies. Sie mussten verdammt fest im Sattel sitzen. Sie mussten vie le sein, wenn sie damit über Jahre hatten durchkommen können, und sie hatten einen Gerichtsmediziner auf ihrer Seite.
    Beckstein stand an der Tür, die Beine breit, die Hände in den Hüften. Juncker schraubte an meinem Arm. Zabel stellte den Stuhl wieder auf. Zweiter Anlauf. Eigentlich hätte ich mir um meinen Ellbogen keine Sorgen mehr zu machen brauchen. Trotzdem gab ich dem Schmerz nach. Schmerzen hören eben nur dann auf, wenn man macht, was die anderen wollen. Ich stand auf dem Stuhl. Juncker lockerte den Polizeigriff nicht. Zabel reckte sich vor mir hoch und legte mir die Pulloverschlinge um den Hals. Achselschweiß stieg auf, vermischt mit Fahrenheit. Ich rammte ihm das Knie unters Kinn. Beim Kick nach hinten traf ich ein Brustbein. Doch kippte dabei der Stuhl, und ich hagelte in die Schlinge. Ich dachte noch, dass der Erhängte meist am Genickbruch stirbt und dass ich gelesen hatte, dass das nicht stimmt.

25
     
    Das Brausen und Trommeln einer Dusche weckte mich. Also war ich doch noch eingeschlafen. Ich hatte keine Uhr, und auf dem Nachttisch stand auch keine. Aber es war hell. Solche Streifentapeten konnte nur jemand ertragen, der sich in Vorstadthotels sauwohl fühlte, und die waren wenigstens geheizt.
    Das Wasserrauschen versiegte in einem kurzen Rohrknattern. Füße quietschten in einer Wanne. Nach einer Weile summte ein Rasierapparat.
    Gott, was hatte ich für einen Mist geträumt. Mein Unterbewusstsein bedurfte dringend einer Überarbeitung. Man hatte mich erhängt, wäre da nicht – wie ich mich nebulös erinnerte – im letzten Moment die Tür aufgeplatzt, die ein dickes Weib durch den Raum schubste, und hätte nicht, begleitet von Wölfen oder Polizisten, jemand mich gepackt, der meinem Liebhaber ähnelte (aber welchem nur?), und mich aus der Schlinge gehoben. Ich schrie, denn der Steinboden kam mir glühend heiß vor.
    Die erste kleine Bewegung, die mich eigentlich mit einem morgenfröhlichen Ruck aus dem Bett hätte bringen sollen, warf mich zurück. Die Muskeln waren ver steinert und mindestens fünf Zentimeter zu kurz. Ich hat te mich hysterisch geweigert, mich in ein Krankenhaus bringen zu lassen. Die diensthabende Polizeiärztin, die um Mitternacht in der LPD II im Minirock neben der Thermoskanne in einem winzigen Raum auf Alkoholsünder wartete, hatte meine Blessuren dokumentiert. Richard hatte mich Stunden danach auf den Haigst gefahren, das Gästebett bezogen, mich unter die Decke gesteckt und im Dunkeln

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