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Harte Schule

Harte Schule

Titel: Harte Schule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Gnadenfrist zum Nachdenken, bei dem nichts herauskam als die Einsicht, dass die Hosen in jedem Fall runtermussten. Kalt wie Eis der Stein an den nackten Füßen.
    »Jetzt woll’n wir doch mal sehen, ob du ein Junge bist oder ein Mädchen. Auf geht’s.«
    Werdet ihr mich dann nicht töten? Bitte, bitte nicht! Alles, bloß das nicht. Aber was noch? Meine Hände hatten die Gürtelschnalle schon gelöst, da flutete mich eine namenlose Angst, ersäufte alle Reflexionen. Plötzlich sah ich von oben, wie die Wahnsinnige den Gürtel aus den Schlaufen ratschte, wie das Leder Zabel/Juncker ins Gesicht pfiff, wie Blut quoll und die Walther flog, wie Zabel/Juncker mich an den Haaren rückwärts riss, wie plötzlich die Tür aufging …
    »Aber, meine Herren!«
    Ich lag mit dem nackten Arsch und blühendem Schamhaar auf dem kalten Stein. Zabel/Juncker drückten sich verschämt beiseite. Ein Wanst in Jeans und Sweater watschelte heran, oben ein Doppelkinn.
    Die Erste Kriminalhauptkommissarin Beckstein legte die Mappe auf dem Tisch ab. Ich musste zweimal ansetzen, bis ich auf die Füße kam, angelte nach der Hose in meinen Knien, die aber sperrte sich unter dem gestrengen Blick Becksteins. Als ich endlich die Hose oben hatte, war der Schlüpfer vor lauter Hektik, die äußere Würde wiederherzustellen, irgendwie unten an den Hinterbacken hängen geblieben. Um das in Ordnung zu bringen, hätte ich mich wieder aufknöpfen müssen. Die verkrümpelte Unterhose verhinderte, dass ich die innere Würde wie dererrang.
    Beckstein lächelte tadelnd bis nachsichtig. »Ich muss mich wohl für die Beamten entschuldigen.«
    Mir lief der Rotz aus der Nase. Sie gab sich mütterlich und reichte mir ein Papiertaschentuch.
    »Danke«, sagte ich und hasste mich augenblicklich, weil die Floskeln so eigenständig funktionierten. »Vielen Dank.«
    »Nun beruhig dich erst mal. Setz dich.«
    Der Schlüpfer kniff. Pullover und Jacke knüllten in fernen Ecken. Ich zitterte nach Wärmeschutz. »Darf ich rauchen?«
    »Nachher, Schätzle, nachher.« Sie nickte Za bel/Juncker hinaus. »Vorher haben wir zwei beide noch was zu besprechen. Es hängt ganz von dir ab.« Sie schlug die Akte auf.
    Hatte ich mir wirklich diese Blöße geben müssen? Schon als Kind hatte ich dazu geneigt, mich furchtsamer zu stellen, um die Erwachsenen überlegen zu stimmen. Auch im Judo hatte ich lieber den Gegner zupacken las sen, ehe ihn meine Selbstverteidigung in Wut brachte, und darum meinen Meistergrad nicht bekommen.
    Beckstein legte mir ein umfassendes Geständnis vor, das ich nur zu unterschreiben brauchte. Ich erfasste kaum, was da stand, musste dreimal anfangen, denn mehr als alles andere quälte mich der unbeherrschbare Wunsch, mir hinten in die Hose zu fassen, um die Unterhose hochzuzippeln. Ich kam nie tief genug und las gleichzeitig mein Todesurteil. Du musst dir Zeit nehmen, ermahnte ich mich, du musst dich konzentrieren. Ich las, dass ich einräumte, Marquardt mit einer Spritze getötet zu haben – wieso auf einmal wieder eine Kanüle? –, die ich dann in den Neckar geworfen hatte, dass ich Schüsse auf Weber abgefeuert hatte und dass ich die Gasleitung in Otters Keller beschädigt hatte, um eine Explosion herbeizuführen.
    »Und das Motiv?«, erkundigte ich mich, die Zehen krümmend, um sie vom Eis zu halten.
    »Aber da steht es doch, Schätzle. Du hast aus dem perversen Bedürfnis heraus gehandelt, Männer zu demütigen. Du hast Marquardt die Hose runtergezogen, weil du seinen Popo sehen wolltest. In wehrloser Lage hast du ihn dann erstochen. Dein Sportsfreund Weber ist dir draufgekommen, also wolltest du ihn auch beseitigen. Otter hat es dir auf den Kopf zugesagt, also hast du ihn getötet, wobei du gewissenlos den Tod zweier weiterer Personen in Kauf genommen hast. Du bist krank, sehr krank.«
    »Wie kommen Sie denn auf die Spritze?«
    »Was für eine Spritze?«
    »Als Mordinstrument bei Marquardt«, bibberte ich. »Marko sitzt doch in U-Haft, weil sein Vater mit Schusternadeln arbeitet.«
    Beckstein blies die Backen auf und schob die Lippen vor. So hatte mich einst meine Mutter angesehen, wenn sie mein aufgeregtes Argumentieren bespöttelte.
    »Da hat Kollege Weininger sich bös verhauen. Wir sind es heute noch mal durchgegangen. Der Obduktionsbefund spricht eindeutig von Luftverdrängungen in der Herzgegend. Könnte man bei einer Exhumierung leicht nachweisen. Aber zerbrich dir darüber nicht den Kopf. Es hat alles seine Richtigkeit. Unterschreib einfach. Dann

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