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Harter Schnitt

Harter Schnitt

Titel: Harter Schnitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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müssen.
    Allein.
    Amanda wiederholte: » Was glauben Sie, wer der Polizist ist?« Wieder schnippte sie mit den Fingern, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
    Er hob den Kopf. Am liebsten hätte er ihr die Hand gebrochen.
    » Hier geht’s nicht um mich. Hier geht’s um Faith und darum, ihre Mutter zurückzuholen. Also, was glauben Sie, wer ist dieser Polizist?«
    Er räusperte sich die Glasscherben aus der Kehle. » Woher kennen Sie all diese Leute?«
    » Welche Leute?«
    » Hector Ortiz. Roger Ling. Julia Ling. Den Leibwächter Perry, der einen Mercedes fährt. Warum reden Sie die alle mit Vornamen an?«
    Sie schwieg, offensichtlich überlegte sie, ob sie antworten sollte oder nicht. Schließlich erwiderte sie: » Sie wissen doch, dass ich zusammen mit Evelyn Karriere gemacht habe. Wir waren zusammen Kadetten. Wir waren Partner, bis die Männer keine Lust mehr hatten, sich alle Fälle von uns wegschnappen zu lassen.« Sie schüttelte den Kopf über die Erinnerung. » Das sind die bösen Jungs, die auf der anderen Seite standen. Drogen. Vergewaltigung. Mord. Körperverletzung. Geiselverhandlungen. Organisiertes Verbrechen. Geldwäsche. Die sind schon so lange dabei wie wir.« Dann fügte sie wehmütig hinzu: » Und das ist schon sehr, sehr lange.«
    » Sie haben Fälle gegen sie bearbeitet?«
    Fünfzig Stühle standen in dem Raum, aber sie setzte sich direkt neben ihn. » Ignatio Ortiz und Roger Ling haben es nicht mit einem einzigen Sprung an die Spitze geschafft. Sie mussten über Leichen gehen. Viele, viele Tote. Und das Traurige daran ist, dass sie früher mal menschliche Wesen waren. Sie waren nette, normale Männer, die jeden Sonntag zur Kirche und unter der Woche jeden Tag brav zur Arbeit gingen.« Amanda schüttelte wieder den Kopf, und Will merkte, dass ihre Worte Erinnerungen zutage förderten, die sie lieber vergessen würde.
    Dennoch sagte sie: » Sie wissen, dass das Wort Unterbauch den Teil der Gesellschaft bezeichnet, den man nicht sieht, aber es bezeichnet auch den verletzlichsten Teil. Den schwachen Teil. Genau darauf haben es Monster wie Roger Ling und Ignatio Ortiz abgesehen. Sucht. Gier. Armut. Verzweiflung. Sobald diese Typen herausgefunden hatten, wie sie die Leute ausbeuten können, haben sie nur noch an ihre Karriere gedacht. Bevor sie zwölf Jahre alt waren, brachten sie Drogendealern ihre Burger ans Auto. Sie mordeten, bevor sie alt genug waren, um in einer Bar legal einen Drink zu bekommen. Sie schlitzten Kehlen auf und prügelten alte Frauen zu Tode und taten alles, was nötig war, um an die Spitze zu kommen und die Macht zu behalten. Also, wenn Sie mich fragen, warum ich diese Leute mit dem Vornamen anspreche, dann deshalb, weil ich sie kenne. Ich weiß, wer sie sind. Ich habe in die Schwärze ihrer Seelen geschaut. Aber ich kann Ihnen garantieren, andersherum ist das nicht so. Diese Leute haben nicht den blassesten Schimmer, wer ich bin, und ich habe meine ganze Karriere lang dafür gesorgt, dass es auch so bleibt.«
    Will hatte keine Lust mehr, wie auf rohen Eiern zu gehen. » Die kennen auch Evelyn.«
    » Ja«, räumte Amanda ein, » ich glaube, das tun sie.«
    Er lehnte sich zurück. Es war ein verblüffendes Eingeständnis. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte. Leider– oder vielleicht zum Glück– gab sie ihm keine Gelegenheit dazu.
    Sie klatschte in die Hände. Die Zeit der Geständnisse war vorüber. » Reden wir jetzt über diesen Polizisten, der sich Sara im Krankenhaus in den Weg stellte.«
    Will versuchte noch immer zu begreifen, was eben passiert war. Einen Augenblick lang hatte er Sara völlig vergessen.
    » Chuck Finn«, schlug sie vor.
    Will lehnte den Kopf an die Wand. Der Beton fühlte sich an der Kopfhaut kalt an. » Er war Polizist. Das verliert man nicht, egal, wie viel Heroin man sich in die Adern jagt. Er ist groß. Wahrscheinlich hat er durch seine Sucht viel Gewicht verloren. Sara hätte ihn nicht erkannt, weil sie nur sein Verbrecherfoto gesehen hat. Ich nehme an, dass er raucht. Das tun die meisten Junkies.«
    » Also, im Krankenhaus: Sie glauben, Chuck Finn hört von Sara, dass Marcellus Estevez vielleicht durchkommen könnte, deshalb schickt er Franklin Heeney, um ihn zu töten.«
    » Sie nicht?«
    Amanda ließ sich Zeit mit der Antwort. Er merkte, dass das, was sie über Evelyn Mitchell gesagt hatte, sie noch immer stark beschäftigte. » Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll, Will. Und das ist bei Gott die Wahrheit.«
    Sie klang müde,

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