Harter Schnitt
Tode geprügelt hat. Er war ein kräftiger Kerl, größer als ich, und hatte ungefähr zwanzig Kilo mehr, alles Muskeln.«
» Bodybuilder?«
» Ich schätze, Steroide haben ihm auf die Sprünge geholfen.«
» Wie wirkte sich das bei ihm aus?«
» Sie machten ihn unkontrolliert wütend«, erinnerte sich Will. » Er ist nicht so schlau, wie er denkt, aber ich habe es nicht geschafft, ihn zu einem Geständnis zu bringen, also bin ich es vielleicht auch nicht.«
» Trotzdem haben Sie ihn ins Gefängnis geschickt.«
» Er brachte sich selbst hinein. Sein Haus in der Stadt war abbezahlt. Sein Haus am See war abbezahlt. Alle seine drei Kinder gingen auf Privatschulen. Seine Frau arbeitete zehn Stunden pro Woche und fuhr einen Oberklasse-Mercedes. Seine Geliebte fuhr einen BMW . Und er hatte einen brandneuen Porsche 911 in der Einfahrt stehen.«
» Männer und ihre Autos«, murmelte sie. » Das klingt für mich nicht sehr schlau.«
» Er dachte einfach nicht daran, dass irgendjemand Fragen stellen würde.«
» Im Allgemeinen passiert das auch nicht.«
» Spivey konnte sehr gut den Mund halten.«
» Soweit ich mich erinnere, konnten das alle.«
Sie hatte recht. Bei einem Korruptionsfall war es die übliche Strategie, das schwächste Glied in der Kette zu finden und denjenigen dazu zu bringen, seine Komplizen zu verraten, um selbst mit einer leichteren Strafe davonzukommen. Die sechs Detectives in Evelyn Mitchells Drogendezernat hatten sich gegen diese Strategie als immun erwiesen. Keiner sagte etwas gegen den anderen, und alle behaupteten routinemäßig, dass Captain Mitchell mit den ihnen zur Last gelegten Verbrechen nichts zu tun habe. Sie taten alles, um ihre Chefin zu schützen. Es war zugleich bewundernswert und unglaublich frustrierend.
Will sagte: » Spivey arbeitete zwölf Jahre in Evelyns Abteilung– länger als jeder andere.«
» Sie traute ihm.«
» Ja«, pflichtete Will ihr bei, » zwei verwandte Seelen.«
Amanda schaute ihn scharf an. » Vorsicht.«
Wills Kiefermuskulatur verkrampfte sich so, dass der Knochen schmerzte. Er verstand nicht, wie sie irgendetwas erreichen wollte, wenn sie den wichtigsten Aspekt dieses Falles ignorierte. Amanda wusste so gut wie Will, dass ihre Freundin schuldig war wie die Seuche. Evelyn hatte zwar nicht auf großem Fuß gelebt, aber auf ihre Art war sie so dumm wie Spivey gewesen.
Faith’ Vater war Versicherungsmakler, solide Mittelklasse mit den normalen Schulden, die diese Leute hatten: Autokredit, Hypothek, Kreditkarten. Und doch hatte Will bei seinen Ermittlungen ein Bankkonto auf Bill Mitchells Namen in einem anderen Staat entdeckt. Zu der Zeit war der Mann bereits sechs Jahre tot gewesen. Obwohl das Kontoguthaben immer um die zehntausend Dollar betrug, zeigten die Kontobewegungen, dass seit seinem Tod beinahe sechzigtausend Dollar eingezahlt worden waren. Es war offensichtlich ein Mantelkonto, was Staatsanwälte auch als rauchenden Colt bezeichneten. Da Bill tot war, war Evelyn die einzige Zeichnungsberechtigte. Geld wurde abgezogen und ihrer ATM -Karte einer Filiale der Bank in Atlanta gutgeschrieben. Ihr toter Ehemann war nicht derjenige, der die Aktivitäten breit fächerte und das Guthaben immer knapp unter der Grenze hielt, bei der beim Heimatschutz die Alarmglocken schrillten.
Soweit Will wusste, war Evelyn Mitchell nie nach diesem Konto gefragt worden. Er hatte geglaubt, es würde während ihres Prozesses zur Sprache kommen, ein Prozess hatte aber nie stattgefunden. Auf einer Pressekonferenz war lediglich ihr freiwilliges Ausscheiden aus dem Polizeidienst bekannt gegeben worden, und das war das Ende der Geschichte.
Bist jetzt.
Amanda klappte die Sonnenblende herunter, um nicht geblendet zu werden. An der Unterseite klemmten einige gelbe Abholscheine, die aussahen wie von einer Reinigung. Die Sonne meinte es nicht gut mit ihr. Sie sah nicht mehr müde aus, sie sah abgezehrt aus.
Sie sagte: » Irgendetwas liegt Ihnen auf dem Herzen.«
Ein sarkastisches » Was Sie nicht sagen« konnte er sich gerade noch verkneifen.
» Nicht das«, sagte sie, als könnte sie seine Gedanken lesen. » Faith hat Sie deshalb nicht zu Hilfe gerufen, weil sie wusste, dass Sie das Falsche tun würden.«
Will schaute zum Fenster hinaus.
» Sie hätten sie gezwungen, auf Hilfe zu warten.«
Er hasste es, dass ihre Worte eine große Erleichterung für ihn bedeuteten.
» Sie war schon immer sehr stur.«
Er fühlte sich verpflichtet zu sagen: » Sie hat nicht das Falsche
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