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Harter Schnitt

Harter Schnitt

Titel: Harter Schnitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Immer wieder musste sie daran denken, was Will gesagt hatte: Entweder war Evelyn Mitchell eine schlechte Chefin gewesen oder eine Polizistin mit Dreck am Stecken. Ein Dazwischen gab es nicht.
    Das war vermutlich der Grund, warum Sara heute Morgen nicht die Zeit gefunden hatte, Faith Mitchell anzurufen und sie zu fragen, wie es ihr gehe. Rein faktisch war Faith Delia Wallace’ Patientin, aber Sara empfand eine merkwürdige Verantwortlichkeit für Wills Partnerin. Es nagte an ihr, so wie Will bei jedem wachen Gedanken dieser beiden Tage an ihr zu nagen schien.
    Die ganze Mühe. Und keine Freude.
    Nan, eine der Lernschwestern, ließ sich neben Sara auf die Couch fallen. Sie spielte beim Reden mit ihrem BlackBerry herum. » Ich will alles über Ihr Date hören.«
    Sara zwang sich zu einem Lächeln. Als sie an diesem Morgen ins Krankenhaus gekommen war, wartete im Ärztezimmer ein großer Blumenstrauß auf sie. Er sah aus, als hätte Dale Dugan den gesamten Vorrat der Stadt an Schleierkraut und rosa Nelken aufgekauft. Jeder in der Notaufnahme hatte seinen Kommentar abgegeben, noch bevor Sara überhaupt in ihren Arztmantel geschlüpft war. Sie alle schienen fasziniert von der Romanze einer Witwe, die im Sturm genommen wurde.
    Sara sagte zu dem Mädchen: » Er ist sehr nett.«
    » Er findet Sie auch nett.« Nan grinste verschmitzt, während sie eine E-Mail tippte. » Bin ihm im Labor begegnet. Er ist supercool.«
    Sara sah den Daumen des Mädchens über den Bildschirm rasen und fühlte sich dreihundert Jahre alt. Sie konnte sich nicht erinnern, ob sie je so jung gewesen war. Und sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass Dale Dugan sich hinsetzte und mit dieser unbesonnenen jungen Schwester plauderte.
    Schließlich schaute Nan von dem Gerät hoch. » Er meinte, Sie sind faszinierend, und dass er eine tolle Zeit mit Ihnen hatte und Sie sich sehr nett geküsst haben.«
    » Sie mailen ihm?«
    » Nein.« Sie verdrehte die Augen. » Das hat er im Labor gesagt.«
    » Toll«, murmelte Sara. Sie wusste nicht, was sie von Dale halten sollte, der sich entweder falsche Hoffnungen machte oder ein pathologischer Lügner war. Irgendwann würde sie mit ihm reden müssen. Allein schon die Blumen waren ein schlechtes Zeichen. Sie würde ihm das Pflaster schnell abreißen müssen. Trotzdem konnte sie sich der Frage nicht entziehen, warum der Mann, den sie wollte, nicht zur Verfügung stand und sie den Mann, der verfügbar war, nicht wollte. So entwickelten sich also ihre Bemühungen, aus ihrem Leben eine Seifenoper zu machen.
    Nan fing wieder an zu tippen. » Was soll ich ihm schreiben, das Sie gesagt haben?«
    » Ich habe nichts gesagt.«
    » Aber Sie könnten.«
    » Äh…« Sara stand auf. Es war viel einfacher, dem Betreffenden einen Zettel in den Spind zu schieben. » Ich sollte mir was zum Mittagessen besorgen, solange es noch ruhig ist.«
    Anstatt in die Cafeteria zu gehen, bog Sara nach links zu den Aufzügen ab. Eine Rollbahre, die hastig den Korridor entlanggeschoben wurde, hätte sie beinahe umgerissen. Stichwunde. Das Messer steckte noch in der Brust des Patienten. Rettungssanitäter riefen die Daten der Vitalfunktionen. Ärzte bellten Befehle. Sara drückte auf den Abwärts-Knopf des Aufzugs und wartete, bis die Türen sich öffneten.
    Das Krankenhaus war in den 1890ern gegründet worden und insgesamt viermal umgezogen, bevor es schließlich am Jesse Hill Jr. Drive seinen endgültigen Stammplatz fand. Beständiges Missmanagement, Korruption und schlichte Inkompetenz bedeuteten, dass das Krankenhaus zu jedem beliebigen Zeitpunkt in seiner Geschichte vom Untergang bedroht war. Das u-förmige Gebäude war so oft erweitert, umgebaut, abgerissen und renoviert worden, dass, so dachte zumindest Sara, niemand mehr den Überblick behalten konnte. Das Gelände um den Gebäudekomplex fiel sanft zur Georgia State University hin ab, die sich die Parkhäuser mit dem Krankenhaus teilte. Die Krankenwagenzufahrten der Notaufnahme gingen nach hinten auf die Interstate hinaus, auf die Grady Curve, wie sie genannt wurde, und sie lagen ein Stockwerk über dem Haupteingang auf der Straßenseite. Zu Zeiten der Rassentrennung befanden sich die Flügel der Weißen auf der einen Seite, mit Blick zur Stadt, die Flügel für die Afro-Amerikaner lagen auf der anderen Seite, mit Blick ins Leere.
    Margaret Mitchell war hierhergebracht worden und fünf Tage später gestorben, nachdem sie von einem betrunkenen Fahrer auf der Peachtree Street angefahren worden

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