Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
Vom Netzwerk:
nachdem Wied sie besucht hatte. Ein Jahr nach seinem Winteraufenthalt kam ein Reisegefährte vom Missouri zu ihm nach Deutschland, er berichtete von Überfällen der Dakota-Indianer auf indianische Dörfer, die er kannte. Die meisten Bewohner wurden getötet. «Vier Jahre später erhielt ich dieNachricht, daß alle unsere indianischen Freunde vom Stamme der Mandan tot seien. Folgendes war geschehen: Im Sommer das Jahres 1838 kam ein Pelzhändlerschiff aus St.   Louis nach Mih-Tutta-Hangkusch, dem mir so vertrauten Dorf der Mandan, in dem ich meine völkerkundlichen Studien betrieben hatte. Obwohl sich auf dem Schiff mehrere Pockenkranke befanden, durften die Indianer an Bord kommen. Sie infizierten sich sogleich.»
    Ein anderer amerikanischer Bekannter, der Maler George Catlin, beschrieb dem Prinzen den Untergang der Mandan. «Die Krankheit wurde in wenigen Tagen so furchtbar, daß die Menschen innerhalb kürzester Zeit starben. Die Hoffnungslosigkeit war so groß, daß fast die Hälfte der Erkrankten sich mit dem Messer, der Flinte oder durch einen Sturz von Felsabhängen selbst den Tod gaben.» Was für ein Ende nicht nur eines Stammes, vielmehr einer ganzen Welt: Ebendies war eine Art der Indianer gewesen, den Bison zu jagen – ihn auf Felsabhänge zu hetzen, von denen er zu Tode stürzte.
    Catlin schloß mit dem Bericht «über den edlen Mato-Tope». Ihn hatte Wied gut gekannt. «Jener ausgezeichnete Chef», wie er ihn genannt hatte, hatte ihn oft besucht mit seinem kleinen Sohn. «Nachdem Mato-Tope selbst von der Krankheit genesen war», so Catlin, «saß er in seinem Wigwam und sah, wie seine Frau und die Kinder nach und nach erkrankten und starben. Als alle die Seinigen dem Tod zur Beute geworden waren, ging er durchs Dorf und weinte über den Untergang seines Stammes. Alle tapferen Krieger, von denen allein die Erhaltung des Stammes abhing, waren nichtmehr unter den Lebenden. Er kehrte in seine Hütte zurück, legte seine tote Frau und seine toten Kinder auf einen Haufen, bedeckte sie mit einigen Büffelhäuten, hüllte sich ebenfalls in eine Haut und ging nach einem in der Nähe befindlichen Hügel, wo er trotz aller Bitten der Pelzhändler mehrere Tage liegenblieb und den Hungertod zu sterben beschloß. Am sechsten Tage hatte er eben noch soviel Kraft, nach dem Dorf zurückzukehren. Er begab sich in seinen Wigwam, legte sich neben die Leichen seiner Frau und seiner Kinder, zog die Büffelhaut über sich und starb am neunten Tage, nachdem er das Dorf verlassen hatte. Dies sind die Nachrichten über das Aussterben der Mandan-Indianer. Es ist möglich, daß noch einzelne von ihnen leben, obwohl ich es nicht für wahrscheinlich halte. Doch selbst wenn dies der Fall wäre, so haben sie als Nation aufgehört zu existieren.»
     
    Später an diesem grüblerischen Tag, viele Meilen stromabwärts, sah ich einen Mann am Missouri stehen. Er beobachtete den Strom mit zusammengekniffenen Augen wie einen, den man genau kennt. Ob denn die Sandbänke noch wanderten, fragte ich. Wied und seine Bootsleute hatten damit ihre liebe Not gehabt. «Der Fluß, der jede Nacht in einem anderen Bett schläft» hatten die frühen Siedler den Missouri genannt. Ja, sagte der Mann, das mit den Sandbänken sei immer noch so, man müsse sich auskennen auf dem Strom, sonst laufe man schnell auf Grund. Er fahre oft im Boot hinaus, um zu fischen.
    Von sich aus begann er von den Indianern, ohne erkennbaren Grund. «Manche Stämme haben ihrenStolz», sagte er, «sie tun was und bringen es zu Wohlstand. Andere lassen sich vom Staat füttern.» Nach so langer Zeit seien sie immer noch unwillig, sich in das amerikanische Gesetz einzufügen: durch harte Arbeit zu Geld und Erfolg. «Und nehmen sie mal eine Arbeit an», fuhr er fort, «bleiben sie nach dem ersten Lohn weg. Ab ins Reservat, alles vertrinken.» Er zitierte ein Sprichwort: «Du kannst ein Pferd zum Wasser führen, aber saufen muß es schon selbst.»
    Er sprach weiter, aber das Bild, das er gebraucht hatte, lenkte mich ab. Pferde am Missouri. Wied hatte es beschrieben. Indianer, urplötzlich am Ufer auftauchend mit ihren Pferden und Waffen, mit ihrer Jagdbeute auf Lastpferden oder in schwarz-roter Kriegsbemalung, und manchmal geisterhaft in ihren weißen Bisonhäuten bei Nacht. Nie hatte man sich sicher sein dürfen über die Absicht, in der ein solcher Trupp unterwegs war, und lieber respektvoll Abstand gewahrt. «Ich weiß nicht, was mit ihnen los ist», hörte ich den Mann noch

Weitere Kostenlose Bücher