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Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
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sagen, bevor er in sein Auto stieg und davonfuhr, «vielleicht macht es sie immer noch verrückt, daß wir ihnen das Land weggenommen haben.»
    Längst war ich im Reservat der Sioux, ich merkte es an einem wunderlichen Detail, der Agitation gegen den Straßenmüll. Das weiße Amerika drohte demjenigen Geldstrafen an, der seinen Abfall auf die Straße warf, das Reservat beschwor die Achtung für «mother earth». Es schien aber nicht zu fruchten, nach meinem Eindruck waren die Schrotthalden im Indianergebiet noch größer als die im Land der Weißen.
     
    Von den Spielcasinos in den Reservaten hatte ich gehört, aber bis jetzt noch keins gesehen. Nun tauchte eines in der Einöde auf – wie eben gelandet, stand das moderne Monstrum im welken Gras. Es kam mir gerade recht, ich war hungrig und brauchte eine Rast. Ich trat ein und staunte. Zum ersten Mal, seit ich Amerika betreten hatte, sah ich derart viele Menschen. So öde und leer es draußen gewesen war, so laut und voll war es hier, als habe sich das Land in diesen Glücksbunker zurückgezogen, in den Fortunaberg. Sein Zentrum war eine riesige, hohe Halle, gehalten von vier steinernen Totempfählen, die Wände waren mit indianischen Motiven bemalt. Dazu gab es weitere Säle. Einen halbherzigen Versuch, die Menschen zu zählen und die Automaten, vor denen sie saßen und spielten, Reihe um Reihe, Saal um Saal, brach ich ab. Es mußten Hunderte Automaten sein und Tausende Spieler, längst nicht alle fanden Platz an den Geräten. Wo kamen sie her und wie? Nicht nur das Land war menschenleer seit Stunden, die Straße war ebenso einsam.
    Fast alle Glücksspieler waren alt. Dick und alt. Drahtig und alt. Welk und alt. Jung und alt. Mit und ohne Dauerwelle. Mit und ohne Ohrringe. Mit und ohne Zigarette. Still und gefaßt saßen sie vor ihren Automaten, manche im Rollstuhl, und spielten und spielten. Manchmal machten sie eine Pause und holten sich einen Burger und eine Cola, das Essen war spottbillig oder umsonst, auf Kantinengewinne kam es dem Casino nicht an, ein Zeichen dafür, wie gut die Geschäfte liefen. Indianische Croupiers gingen umher, einer lächelnd, ein langer Dünner, sein Zopf hing ihm schwarzden Rücken herab, ein anderer ließ seine goldene Uhrkette so lang wie möglich heraushängen. Wachen Auges streiften sie durch die Reihen der spielenden alten Weißen, die unter der indianischen Aufsicht wie eine greise Kinderschar wirkten. Wied hatte die Geschicklichkeit schon der Mandankinder beim Anfertigen von Fallen beschrieben, etwa von Schlingen aus Pferdehaar, mit denen sie Vögel und andere Tiere in der Prärie fingen. Das Casino kam mir vor wie die phantastische Steigerung dessen – die Erfindung eines alten Siouxtüftlers, ein rächender Transformator, der alle Weißen aus Dakota heraussaugt, an die Glücksmaschine anschließt und dabei vor sich hinsummt: «Pursuit of happiness, happi-, happi-, happiness.»
    Höllisch war an diesem Spielhimmel nur eines, er machte einen infernalischen Krach. Jede Glücksmaschine im Saal hatte einen anderen Namen, den ein comichaftes Bild auf dem Gerät illustrierte:
John Wayne. Helen of Troy. Thai Treasurer. Wolf Run. Lucky Lemmings.
Und jede Maschine machte ein Geräusch. Hunderte von Erkennungsfanfaren lärmten zugleich. Kein Ton wollte zum anderen passen. Es ratterte, jaulte, schnarrte, hämmerte, klingelte, dudelte, kreischte, quasselte, sägte, alles durcheinander, ohne Ende.
    Da war wieder der lächelnde Croupier, unsere Pfade kreuzten sich. «Mögen Sie das hier?» fragte ich ihn.
    «Als Job oder wie?»
    «Als Mensch, als Mann.»
    Er sah mich an, lachte laut auf, faßte sich, mußte wieder lachen. «Ich denke, es ist in Ordnung.»
    Ich wollte gehen. Am Tor traf ich auf einen älterenIndianer, auch er wollte gehen, ein großer, ernster Kerl. Ich stellte auch ihm die Frage: «Mögen Sie das hier?»
    «Ich nehme an, es ist ein guter Ort.» Er war nicht in Redelaune, er war woanders.
    «Ein guter Ort?»
    «Yeah, ich reise viel, wissen Sie. So long.»
    Der Junge mit dem Revolver
    Es ging auf den Abend zu, ich fuhr nach Westen, in die sinkende Sonne hinein, bei freier Sicht in alle Himmelsrichtungen, es mögen vierzig, sechzig oder auch hundert Meilen gewesen sein, die ich ins Land hinaussah, und es blieb gleich, wohin ich auch schaute. Die immergleichen graugelben Wellen und Falten, hier und dort ein «butte», ein freistehender Hügel, Altären gleich. Den östlichen wie den westlichen Horizont rahmten, so schien es,

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