Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
Vom Netzwerk:
again!» schrie es von einem Werbemast, «Prepare to meet thy God!» vom nächsten. Wir hielten an einer Tankstelle, um einen Kaffee zu trinken, vor uns in der Reihe stand ein Amish-Paar in der altertümlichen Kleidung dieser Sekte. Die zwei waren nicht mehr jung, das verrieten Körper und Haltung, aber ihre Gesichter waren nicht gealtert. Nicht nur der Louisianamann starrte sie an. Es war ein Schauspiel, diese kindlich glatten, von keiner Qual, keiner Leidenschaft gefurchten Wangen und Stirnen zu sehen, diese blanken Augen, wir alle in der Tankstelle wuchsen zusammen zur gaffenden Meute, und keiner hätte sicher zu sagen gewußt, ob er ein junges Paar von dreißig Jahren vor sich hatte oder Eheleute um die Sechzig.
    «Wie im Kino», knurrte der Mann aus Louisiana, und er hatte recht. Die blitzsaubere Tracht der beiden, die Frau in ihrem fußlangen schwarzen Kleid, mit ihrer Haube, ihr Gemahl in schwarzem Anzug, schwarzer Weste und blütenweißem Hemd, mit makellos schwarzen Schnürstiefeln und einem schwarzen, breitkrempigen Hut, der sein weißes Gesicht rahmte – eine Gloriole heller, ernster Frömmigkeit.
    An diesem Tag sah ich den Missouri wieder, dem ich auf dem Hochufer am Sitting-Bull-Denkmal den Rücken gekehrt hatte. Es blieb ein flüchtiges Wiedersehen, mein Wohltäter aus dem Süden raste über ihn hinweg. Heute noch wollte er in Louisiana sein, und wenn es darüber Nacht würde. Er mied jede Pause und setzte mich – wir hatten mit dem Missouri die Grenze nach Iowa überquert – drüben am Ostufer ab, in einem jener Kreuzungslabyrinthe, die meine Freunde daheim gemeint hatten, als sie mich vor Amerika warnten. Aber ich konnte Amerika keinen Vorwurf machen, alles, was nun schiefging, war allein meine Schuld.
    Sioux City
    So gehwütig war ich aus dem louisianischen Cadillac gesprungen und ohne groß nachzudenken südwärts losgelaufen, daß ich prompt in die Irre ging. Als ich vor einer Böschung stand, mochte ich nicht umkehren. Ich kletterte hinauf, betrat eine weit geschwungene Autobahnbrücke und drückte mich an der Fahrbahn entlang, haarscharf neben den entgegenkommenden Autos; die Brücke würde schon irgendwann enden, die Straße wieder begehbare Ränder haben. Es kam anders. Der Streifen, auf dem ich mehr balancierte als lief, wurde schmaler und schmaler und verschwand schließlich ganz hinter dem Bretterzaun einer Baustelle. Ich wollte nicht kehrtmachen und drückte mich gegen den Zaun, um den entgegenrasenden Autos zu entgehen, immer noch hoffend, die Brücke sei bald geschafft. Aber als sie endete und ich endlich die freie Autobahn erreichte, wurde es nicht besser, auch sie hatte keinen Seitenstreifen.
    Es ging einfach nicht. Jetzt hieß es, zurückzulaufen, den ganzen heiklen Weg, die dicht an mir vorbeischießenden Autos und Lastwagen hatte ich nun im Kreuz. Mir blieb nichts übrig, als blind darauf zu vertrauen, daß jeder Fahrer sich möglichst links in seiner Spur hielt und mir die paar Zentimeter gewährte, die ich brauchte, um nicht unter die Räder zu kommen. Alle taten es. Und nicht einer hupte oder beschimpfte mich aus dem Seitenfenster, obwohl sie alle Grund gehabt hätten, eszu tun, forderte ich doch Unfälle geradezu heraus; ich gestand es mir ein, und ich wußte, an ihrer Stelle wäre ich nicht so gelassen geblieben.
    Erleichtert sprang ich den Autobahnhang wieder hinab, dessen Besteigung vor zwei Stunden meinen Irrweg eingeleitet hatte. Ich hatte wertvolle Zeit vergeudet und gab es auf, weiterzugehen, fügte mich darein, in dieser Stadt zu übernachten. Aber Sioux City blieb seltsam.
    Was das Essen anging, hielt ich mich für anspruchslos, jedenfalls war ich es geworden, hatte ich mich doch von Saskatchewan bis hierher durchgeschlagen, ohne zu murren. Die Sache war einfach. Kaffee und Eier am Morgen. Huhn oder
catfish
, in zwei Toastlappen geschlagen, am Mittag, dazu
French fries
und
taco salad
oder, mit etwas mehr Glück, frisch zubereitetes
coleslaw
. Und abends ungefähr das gleiche, dazu eine Cola oder, wieder mit etwas Glück, eine Dose
Bud light.
    Solange ich in der Prärie unterwegs gewesen war, in den Reservaten, hatte ich ignoriert, wie arm und gleich das alles war, von Siedlertagen her. Das Essen war wie die Straße, nicht wichtig, wie – sie sollte nur da sein. War ich hungrig oder durstig, hielt ich Ausschau nach einer Tankstelle, war zufrieden mit dem, was ihr Kühlfach bot, ihre Mikrowelle, ihre Friteuse, das hätte noch lange so gehen können. Aber Sioux City

Weitere Kostenlose Bücher