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Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
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der Mann verstehe nicht, was sie von ihm wollten, er sei taub, daraus habe sich eine Schießerei entwickelt und aus ihr das große, chaotische Gemetzel mit vielen Toten. So war es gewesen oder so ähnlich oder ganz anders, was änderte das schon – es war das Ende.
    Das unbegreiflich mächtige Rad war westwärts gerollt,lange bereits und unaufhaltsam, es hatte die Stämme vor sich hergetrieben und sie aufgerieben durch Umsiedlungen, Hungerwinter, Krankheiten, Kämpfe. Selten einmal waren die Scharmützel und Schlachten, die einige Häuptlinge gewagt hatten, siegreich gewesen. Der Geistertanz war ein letztes Aufbäumen. Das alles war nun zusammengeschossen, die letzte große Vision enthauptet. Es war Zeit, im Schnee ein Massengrab auszuheben.
    Ich nahm meine Sachen und arbeitete mich durch Mitchs Höhle zum Ausgang. Der Fernseher lief, die Couch war zerwühlt. Mitch war nicht da. Ich trat hinaus in den frühen Morgen, ging ein paar Schritte um seinen Trailer herum und sah nun, wo er lebte. Die Nacht war zu finster gewesen, um zu erkennen, wie verloren Mitchs Heim und die paar anderen Trailer dastanden, ein Haufen Lebenskisten, hingewürfelt in den Staub, ohne irgendein Zeichen, das auf Bewohner oder gar auf deren Gewohnheiten oder Eigenarten gedeutet hätte.
    Erst als ich um die Ecke von Mitchs Trailer bog, entdeckte ich einen bleichen Büffelschädel mit mächtigen Hörnern. Er mochte seit Urzeiten hier verwittern, die frühen Reisenden in die Great Plains hatten diese als übersät von Skeletten und Schädeln teils längst ausgestorbener Tiere geschildert. Nur daß der Büffelschädel so akkurat vor die Mitte der Ostwand gelegt worden war, ließ vermuten, daß hier einer lebte, in dem sich mitunter noch der Wille regte, seine Behausung zu schmücken. Das erste Sonnenlicht traf jetzt die Trailer. Es vergoldete und heilte alles, das Vergangene und das Gegenwärtige, einen Augenblick lang.
    Als ich losfahren wollte, kam Mitch mit seinem Pickup zurück. Wir stiegen beide aus.
    «Morgen, Mitch. Hat die Kuh gekalbt?»
    «Ja, sie hat ihr Baby.» Eine Zeitung klemmte unter seinem Arm, in der Hand hielt er einen Pappbecher. «Erst war ich bei der Kuh, dann bei einem Freund. Ich schlafe schlecht.»
    Er bot mir an, zum Frühstück zu bleiben. Ich konnte das nicht annehmen, ich war schon nicht mehr hier. Er nickte. Ein mattes Lächeln huschte über sein Gesicht, kein Tresengrinsen wie letzte Nacht, als er seine Zoten gerissen hatte. Es gab nicht mehr viel zu sagen.
    «Weiter, wie?»
    «Ja, muß nach Rapid City, das Auto abliefern. Mach’s gut, Mitch, und danke für die Nacht.»
    So nahmen wir Abschied. Er ging die kleine Rampe hinauf in seinen Trailer, und ich gab Gas. Als ich aus Interior hinausfuhr, war es sechs Uhr früh, und die Sonne stand über den Badlands. Sie entzündete die Klippen und Tafelberge des Tieflandes, sie brachte sogar die schmale schwarze Straße zum Leuchten, auf der ich nach Westen fuhr. Auf den Weiden standen die Herden. Dort hatten sie gestern abend auch gestanden, aber jetzt sah ich, daß sie Kälber hatten, viele Kälber, als seien sie alle zur Welt gekommen in dieser Nacht. Ich bereute den abrupten Abschied. Einen Moment lang dachte ich daran, auf meine Verabredung in Rapid City zu pfeifen, umzukehren und ein paar Tage mit Mitch zu verbringen, vielleicht würden wir auf die Jagd gehen oder in der Wüste auf leere Flaschen schießen.
    Ich ließ es bleiben. Ich war schon zu weit fort, undMitch war schon wieder ganz dort – bei seinen Dingen, den Kühen, den Freunden und, wer weiß, bei den Girls. Ich war nur ein ortsfremdes Gespenst gewesen, das eines Abends in der «Wagon Wheel Bar» aufgetaucht war. Ein paar Scherze darüber an ein paar Abenden noch, dann würde sich die Erinnerung verlieren. Es war gut, wozu daran rühren?

Teil 2
Vom Gehen im Wind
    Das Unleid
    Ich zog ein frisches Hemd an für Rapid City und ging hinunter in die Halle. Unter der wuchtigen Holzdecke des Jagdhotels aus den zwanziger Jahren warteten Männer mit geschulterten Gewehren in waidgrünen Futteralen auf ihre Frauen, die etwas länger brauchten, um sich abreisefein zu machen. Ich suchte mir einen der schweren Sessel aus und tat so, als hätte ich nur Augen für die indianischen Zeichen im Ziegelboden der Halle und den Kronleuchter aus indianischen Speeren hoch über mir. Als der kleine Abreisetumult verklungen und die Jäger und ihre Frauen fort waren, trat ich hinaus in den schläfrigen Sonntag.
    In der St.   Joseph

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