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Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
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einen Trucker, mein alter Job, danach war ich lange Krankenpfleger.Aber immer Krankheit und Tod, ich bin es leid, ich will wieder auf die Straße, wieder fahren.» Denn die Straße, sie ist das Leben – diesen letzten Satz sagte er nicht, er stand aber da, an den Horizont geschrieben.
    Ich fragte, was ihn so lange von der Straße ferngehalten habe.
    «Mein Sohn. Er wurde geboren, und seine Mutter sagte, das sei nichts für sie. Sie wollte lieber weiterfeiern, trinken, Gras rauchen. Schön, sagte ich, dann zieh ich ihn groß. Die ersten Jahre waren hart, aber jetzt ist er zwölf. Ich muß ihm den Kühlschrank füllen und abends heimkommen, das ist es.»
    Am Rückspiegel baumelte eine Kette aus kleinen bunten Steinen.
    «Ein Geschenk?»
    «Ich mach sie selbst.»
    Ich sah ihn von der Seite an, er merkte es und kicherte.
    «Du wirst nicht schlau aus mir, wie?»
    «Ehrlich gesagt, nein.»
    «Es ist eine indianische Kette. Mein Großvater war schwarz, meine Großmutter eine Omaha. Ich lebe nicht im Reservat, zuviel Suff, zuviel Gewalt, ich mag das nicht. Ich mag auch nicht von der Wohlfahrt leben. Aber sollte ich mal betrunken am Steuer erwischt werden, will ich lieber vors Stammesgericht, da komm ich billiger weg als beim weißen Richter.»
    Wir erreichten Pender – ein unauffälliger Ort, die Adresse war schnell gefunden. Er sagte, es werde nicht lange dauern, und kam nach wenigen Minuten aus dem Spediteurbüro zurück. «Das wird hier nichts, einekleine Firma, die wollen nichts riskieren, ich bin denen zu lange aus dem Job raus.» Er wolle es bei größeren Unternehmen versuchen. Aber nun habe er ja Zeit, für mich einen Umweg zu fahren, ob Bancroft mir recht sei, ein Städtchen etwas südlich von Pender. Es war mir recht, sehr sogar. Als wir dort waren, nahm er die Kette vom Rückspiegel und gab sie mir: «Für dich. Take care!»
     
    Bancroft – ich hatte gehofft, es würde mich dorthin verschlagen. Es gab noch etwas zu erledigen, zu Ende zu bringen, es ging um Black Elk. Aus Bancroft stammte der Mann, dem der Schamane der Oglala-Sioux sein Leben erzählt hatte, und dieses Leben war mit Wounded Knee nicht in sich zusammengesackt, in gewisser Weise begann es einige Zeit später neu. Black Elk wurde Katholik. Er ließ sich am Nikolaustag 1904 taufen, mit einundvierzig Jahren, und wurde als Nicholas Black Elk zum bekanntesten indianischen Missionar.
    Kurz vor Wounded Knee, in den späten 1880er Jahren, war er, ein junger Mann von Mitte Zwanzig, mit Buffalo Bills Wildwestshow nach Europa gereist – nicht ungewöhnlich damals, mancher reiselustige Sioux oder Cherokee oder Mohawk schloß sich einer solchen Showtruppe an und verdiente sich ein paar Dollar in London, Berlin, Paris. Und nicht nur in den europäischen Großstädten traten Jahr für Jahr echte Indianer, Westmänner und tollkühne Reiter auf, die ausgiebigen Tourneen schlossen auch viele Kleinstädte ein, zumal deutsche. Cottbus, Gera, Zwickau, Weimar, Fulda, Mainz oder Koblenz drängten zu den Zelten, umHäuptlinge im vollen Adlerfederschmuck zu bestaunen und der Darstellung von Kriegstänzen, Postkutschenüberfällen und Schlachten aus den Indianerkriegen beizuwohnen, die erst wenige Jahre zurücklagen.
    Nur einen gab es, der diese Shows ganz und gar nicht mochte: Karl May. Auf einmal traten echte Indianer und Westleute auf, sogar vor seiner Haustür, in Dresden   – Wirklichkeit und Fiktion stießen hart aufeinander, eine Kollision, die nur darum entstehen konnte, weil May seine Fiktion als real ausgab und sich selbst als deren lebenden Helden, mit Silberbüchse und Henrystutzen an der Wand seiner Villa in Radebeul. Wer war nun echt, Sitting Bull oder Winnetou? Wer erzählte die wahre Geschichte, Buffalo Bill oder Old Shatterhand? Karl May sah sich von der Realität bedrängt und polemisierte heftig. Würdelose Zurschaustellungen seien das, dargeboten von abgehalfterten, von ihren Stämmen verstoßenen Leuten. Kein Indianer von Ehre täte dergleichen für Geld.
    Aber noch etwas anderes wurde hier ausgefochten, das über Mays gekränkte Autoreneitelkeit weit hinausreichte – mit diesen Wildwestshows erhob Amerika zum ersten Mal abendfüllend und weltweit den Alleinerzählungsanspruch auf den amerikanischen Stoff. Ein rasanter Coup: die Verwandlung des Büffeljägers Buffalo Bill, bürgerlich Oberst William F.   Cody, in den international erfolgreichen Impresario und Vermarkter dieser Erzählung, während an ihr noch geschrieben wurde in der

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