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Hartland

Hartland

Titel: Hartland
Autoren: Wolfgang Buescher
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Es war einfacher so, keine umständlichen Erklärungen. Es gab mir Zeit, über den Pickup nachzudenken, der draußen auf dem Parkplatz stand – zum Verkauf. Er gefiel mir. Kein Protztruck mit Doppelreifen hinten und doppelter Sitzreihe vorn, nein, ein blauweißer Dodge Bighorn, genau richtig für mich. Ein paar tausend Dollar, und er wäre meiner. Er wartete auf mich, ich konnte es förmlich spüren, wenn ich an ihm vorüberging, mittlerweile fuhr meine Hand über seinen großen Spiegel, über sein Blech, soweit war es schon.
    Abends lief ein Horrorfilm im Fernsehen, ein Wanderer war darin die Horrorfigur. Ich lag auf dem Bett, schaute ihn an und dachte an morgen früh. Er würde der Neigung der Einwohner von Purcell, für einen triefnassen Wanderer in fußlangem Mantel und Kapuze zu halten und ihm die Autotür zu öffnen, sollte sie je bestanden haben, den Rest geben.
    Am anderen Morgen schüttete es so unerbittlich wie an den Tagen zuvor. Der Pickup wartete, Purcell wartete, meine Pferdekäuferlegende begann zu bröckeln, mein Gang über die Veranda hatte immer mehr den Charakter eines Hofgangs angenommen – ich mußte mich entscheiden: kaufen oder laufen. Ich warf den Mantel über und ging hinaus. In verzweifelter Lage, das hatte ich irgendwann verstanden, muß man beides können, warten und losschlagen. Gewartet hatte ich seit Tagen, jetzt warich bereit loszuschlagen. Mit einem Ingrimm, der erst hatte wachsen müssen, stürzte ich mich in den Regen, und ich wußte, es würde viele Stunden dauern, bis Aussicht war, irgendwo anzukommen.
    Es war Mittag, als ein Pickup hielt.
    «I give you a ride to Wayne, man.»
    Der das gesagt hatte, ein baumlanger Kerl, hockte zusammengefaltet am Steuer. Neben ihm saß noch einer, vorn war kein Platz für mich. Ob es mir etwas ausmache, auf der Ladefläche zu sitzen, rief er. Es machte mir nichts aus, natürlich nicht. Ich sprang auf, er fuhr los. Ich hielt mich fest, er fuhr schnell.
    Wayne war eine Westernkulisse im Regen, grob aus Brettern zusammengenagelt, sonst nichts. Auf die Hauswände waren die Dienstleistungen einer Frontstadt der gesetzlosen Gründerzeit gemalt. «Waffen und anderes Werkzeug» bot mir einer an. Ein Friseur, der auch Zähne zieht. «Hangin’ Judge» – unklar, ob eine Bar so hieß oder ein Allround-Richter. Es gab kein Dach zum Unterstellen, nicht einmal ein schmales. «Geh weiter», hatte der Lange mir zugerufen, als ich von der Pritsche sprang, «ich bring meinen Freund heim, geh einfach weiter die Straße runter, ich fisch dich in einer halben Stunde auf.»
    Er hielt Wort. Die halbe Stunde war noch nicht herum, da hielt er neben mir, in einem anderen, zivileren Auto. «Hi, I’m Jason.» Ich stieg ein, und eine etwa einstündige Fahrt begann, die mir immer noch lebhaft vor Augen steht. Gibt es das – eine knappe Stunde Freundschaft, unterwegs zwischen einer Westernkulisse und einem Motel irgendwo in Oklahoma? Es scheint so.
    Noch nie sei er östlich des Mississippi gewesen, sagte Jason, aber durch Amerika gelaufen, «zu Fuß». Er grinste herüber. «Regen in Kalifornien, Tag für Tag, und keiner nahm mich mit. Meine Sachen haben gestunken, ich habe gestunken, du kennst das.»
    «Wo war es am besten?»
    «Kalifornien ist Mist, Arizona ist Mist, New Mexico auch. Colorado ist ganz gut, Wyoming ist gut. Am besten ist es in Oklahoma. Hier bin ich gelandet, und hier bleibe ich. Wie ist Deutschland? Die Mauer ist weg, was? Hab ich jedenfalls gehört. Wälder, schnelle Autos, Bier – so ungefähr, wie?»
    Ich gab ihm Auskunft, so gut ich konnte, dann sagte ich noch, Bayern sei ungefähr wie Texas. «Die mögen es nicht, wenn man ihnen sagt, was sie tun sollen.»
    «Ja», rief er, «so ist Texas! So ist auch Oklahoma, darum bin ich hier. Es gibt Gesetze, klar, aber ob ich Waffen im Auto habe, ist meine Sache.» Er sah mich an und lachte. «Nein, nein, ich habe keine Waffe hier drin – aber im Pickup. Dich also nehmen Leute mit, wenn du zu Fuß gehst?»
    «Ja, oft sogar, nur in letzter Zeit nicht. Wie war’s bei dir damals, als du zu Fuß unterwegs warst?»
    «Hart. Wenn du eine Weile allein auf der Straße bist, siehst du auch so aus, es wird mit jedem Tag schlimmer, keiner hält für dich an. Einmal hielt doch einer, ich konnte es nicht fassen, so ein Hippietyp, aber reich, schönes, teures Auto, ich glaube, ein deutsches. Der Typ nimmt mich ein ganzes Stück mit, bis Tucson, und lädt mich sogar noch zum Essen ein. Dann zahlt er, legt das Geld
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