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Hartland

Hartland

Titel: Hartland
Autoren: Wolfgang Buescher
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lag der Busbahnhof von Oklahoma City im Herzen der Stadt. Ich trat aus der Halle, ging um ein, zwei Ecken und fiel ins feinste Hotel der Stadt. Während unter der Dusche die letzten Stunden an mir herabrannen, stand mir das Bild vor Augen, wie der Bus sich leerte, ein nach Schweiß und Süßlichem riechender Blechkasten voller Knastbrüder und -schwestern , Angeber, Halunken, Glücksritter, jeder von Gier und Sorgen umschwärmt wie faules Obst von Fruchtfliegenwolken. Und die Wolken würden nicht weichen, der schwerkranke Enkelsohn nicht gesund werden, die spindeldürre Tochter mit den acht Kindern nicht klug, Jesse James nicht zum Mann, und die Zellen von Wichita würden niemals leer stehen.
    Verlorene Männer, verlassene Frauen, Hals über Kopf verlassene Unterkünfte, verlassene Tatorte, die verlassene Wärme einiger schaukelnder Stunden im Uterus aus zerbeultem, rissigem Blech – ein sich leerender Greyhound-Bus und im Ohr die Heillosigkeiten und Zoten der Fahrt, schrill dargeboten, belohnt mit dem ordinären Auflachen der anderen, die das alles allzugut kannten, dann lief alles hinaus in die Nacht, lief einfach so weiter, Schritte, Stimmen, sich verlierend in den Straßen und Parks von Oklahoma City – vielleichtwartete irgendwo noch ein Bier, eine hastige Umarmung. Ich war in dieses Hotel gegangen und wusch alles ab, wohin gingen sie? Nirgendwohin. Unterwegs von hier nach dort. Treibholz, das niemand bestellt hatte und niemand brauchte, das einfach den Fluß hinabtrieb.
American driftwood.
    Abends besuchte ich das Vergnügungsviertel. In einer Bar spielte ein Junge auf seiner Gitarre und sang wehmütige Lieder dazu – das alles kam wieder, mit der Krise die Krisenmusik, nach einer so langen glamourösen Zeit. In einer anderen Kneipe sang ein Schwarzer den Blues, und es kam mir vor, als liefe das Klagelied immerzu, von Anbeginn dieses Landes bis zu seinem Jüngsten Tag, als hätte irgendwer den Sender, als ich den Bus verließ, nur eine Weile stumm gestellt, und nun stellte er ihn wieder laut – denselben Sender, auf dem der schwarze Junge auf dem Sitz vor mir geflucht und gejammert hatte, ein paar neu hervorgestoßene Strophen im ewiggleichen Lamento.
    Ein Freund für eine Stunde
    Oklahoma City war schön. Mehr als das, es war zauberhaft, eine Parklandschaft, weit und flach, darin eingebettet die Stadt. Ich blieb nicht, ich ging weiter nach Süden. Erst durch ein nobles Viertel, dann durch eine Ödnis und, weil es mir nicht gefiel, Umwege zu machen, geradezu hinab in das frisch aufgerissene Bett einer früheren Eisenbahntrasse, in der roten Erde wühlten Bagger, und drüben wieder hinauf und weiter durch eine Gegend verfallender, aber schwer vergitterter und mit Ketten behängter Häuser und herrenloser Hunde.
    Ich ging über den Oklahoma River und geriet am anderen Ufer in einen Vorposten des hispanischen Südens. Eine anscheinend ganz brave Autowerkstatt nannte sich «Voodoo Auto Repair», die Bars hießen wie Mariachi-Schlager, «El Ranchito», «Mexico Lindo». Pfandleihhäuser gab es an jeder Ecke, vor einem blieb ich stehen, so dreist prahlte es mit den Lieblingsspielsachen des Gangsters im Glück: «Guns, Diamonds, Guitars!» Ich ging hinein und legte mein Bündel auf den Tresen, nur um einmal zu sehen, was der alte Colt noch wert war. Mit spitzen Fingern hob der Angestellte den schmutzigen Lappen an, warf einen flüchtigen Blick hinein, ließ den Lappen fallen und sagte: «Wir sind hier nicht beim Film, Cowboy.»
    Kurz darauf geschah es, daß ich angegriffen wurde, allein des Anblicks wegen: Da geht einer seines Weges,offenbar zu Fuß. In einer Kleine-Leute-Gegend, in der schlichte Vorstadthäuser auf Rasengevierten standen, fuhr ein Auto dicht heran, und der Fahrer schrie wütend aus dem Seitenfenster: «Get yourself a fucking car!» Eine Rarität. Dergleichen war bislang nicht vorgekommen und würde auch nicht wieder vorkommen.
    An die acht Stunden lief ich und lief noch immer aus Oklahoma City hinaus, immerhin auf der großen Ausfallstraße inzwischen, vorbei an letzten Aufbäumungen der Stadt: «Freedom Motors» und eine meilenlange Kette von «Mobile Homes», die kleineren zu 29   999, die großen zu 39   999   Dollar und manche so heruntergekommen, daß ich mich fragte, wer das anbot oder gar kaufte. Ein paar Axthiebe hätten genügt, um diese Karikaturen von Häusern zu zerlegen.
    Es tat gut, daß mich die Wirtin eines koreanischen Cafés am Wege nicht abwies, als ich um Tee bat, eine
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