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Hartmut und ich: Roman

Hartmut und ich: Roman

Titel: Hartmut und ich: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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verwaisten Scotch.
    »Vanessa, das ist mein Mitbewohner. Mitbewohner – Vanessa. Er hat das Drehbuch für diesen Abend geschrieben und war mein Souffleur. Eigentlich.« Dann stützt Hartmut seinen Kopf auf die Hände und hängt über der Bar wie in einem Film Noir. Der Rosenmann ohne Rosen hat sich derweil gesetzt und einen teuren Whisky bestellt. Ich stehe unbequem mit dem Riesenstrauß.
    Vanessa setzt sich an die Bar neben Hartmut, nimmt meinen halb vollen Scotch und trinkt. Dann sieht sie mich an: »Was steht als Nächstes im Drehbuch?«
    »See im Mondschein«, sage ich. »Aber das hat Hartmut geschrieben.«
    Vanessa trinkt langsam aus, stellt das Glas ab, wartet eine Sekunde, sieht Hartmut in seiner Leidenspose an und sagt: »See im Mondschein ist gut, komm!« Dann hüpft sie vom Hocker, huscht an uns vorbei und verlässt das Restaurant. Hartmut hebt seinen Blick, grinst, klopft mir auf die Schulter, sagt »Danke!« und flitzt hinterher.
    Ich seufze, stehe mit meinem Strauß Rosen für 125 Euro vom Hocker auf und sehe den Rosenmann an, der seinen zweiten teuren Whisky bestellt. Er nickt mir aufmunternd zu. Ich setze ein Lächeln auf, gehe zum erstbesten Tisch und frage, ob der Herr nicht eine wunderschöne Rose für eine wunderschöne Frau kaufen will.

SPAM
    Es begann an einem Montag. Ich betrete mit verkniffenen Augen das Bad und sehe Hartmut, wie er nackt vorm Waschbecken steht und seinen erigierten Penis in den Händen hält. In beiden Händen. So wie Buschmänner die Stöckchen halten, die sie zum Feuermachen auf einem Stein reiben. Ich will wieder ins Bett, aber ich kann den Blick nicht abwenden. »Subversion durch Affirmation«, sagt Hartmut, und aus seinem Mund ist es das Passendste, was er morgens um halb sieben in dieser Lage sagen kann. »Ich probiere jetzt alles aus, was sie mir anbieten. Alles!« Er grinst. Er hat augenscheinlich gute Laune, wie er da nackt mit seinem Riesenständer vor mir steht. Der Plastikschrank mit eingebauter Lampe über dem Becken taucht den Raum in fahles Licht. Draußen ist es fast noch dunkel. Auf der Ablage neben der Wanne liegt ein Buch von Walter Benjamin.
    »Spam!«, sagt Hartmut jetzt, als er merkt, dass ich abgelenkt bin. »Diese Werbemails! Ich mache jetzt genau das, was die gerade nicht erwarten. Ich antworte. Ich kaufe. Bei allen.« Ich verstehe nicht ganz. Es ist einfach zu früh. Ich nehme mir vor, nach der Arbeit wieder ins Bett zu gehen und den ganzen Tag melancholische Musik zu hören. Bis ich wieder ins Bad gehen kann und dort kein Mann mit Ständer mehr vor dem Becken steht. »Seit letzter Woche habe ich mich schon bei sieben verschiedenen Glücksspielen angemeldet. Free Lotto, Big Casino, Win A Million Dollars … « Ich hebe die Hände vor den Kopf und wippe hin und her: »Stopp! Stopp! Stopp! Jetzt warte mal. Du meldest dich bei diesem Online-Lottoscheiß an? Mit deinen echten Daten?«
    »Ja, und die Penisverlängerungspillen sind auch schon gekommen. Siehst du?«
    Ich will nicht sehen und schnell an etwas anderes denken. Toast mit Eiern kommt mir als Erstes in den Sinn. Auch nicht gut. Ich trage eine Jogginghose und fühle mich zerschlagen. Ich stinke. Ich muss mich bald waschen. »Wär gut, wenn du heute Mittag da wärst, da kommt das Paket mit den 3D-Brillen.«
    »Und wo bist du?«, frage ich.
    »Ich muss noch in die Stadt, einen Premiere-Decoder holen.«
    »Was?«
    »Na ja, die haben mir ein gutes Angebot geschickt!«
    Ich gebe erst mal auf. »Könnte ich vielleicht an das Waschbecken?«, frage ich.
    »Klar!«, sagt Hartmut und gibt die Hygiene frei. Samt Ständer verschwindet er in seinem Zimmer. Ich drücke gut duftendes Sea Extract aus der Duschgelflasche und seife mir das Gesicht ein.
    Als ich am Mittag von der Arbeit heimkomme, sitzt Hartmut am Küchentisch und hat ein paar Dutzend kleine Zettel ausgebreitet. Ich gehe zum Kühlschrank und nehme einen Schluck Milch. Für einen kurzen Moment fühle ich mich wie in einer amerikanischen Sitcom. »Was machst du?«, frage ich, halte dabei die Milchtüte halb vor den Mund und bleibe im Licht des geöffneten Kühlschranks stehen. Immer noch wie Sitcom. Meine Stimme hat plötzlich diesen runden, klaren Sound, den man auf Hörspielkassetten vernimmt oder wenn man die Kopfhörer von der Anlage in den Fernseher steckt. Dann ist es weg. »Ich verliere langsam die Übersicht darüber, wo ich alles kaufen muss … «, sagt Hartmut und konzentriert sich dabei weiter auf seine Zettel. »Rossmann, Quelle,

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