Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
mit aller Konsequenz der Tatsache ins Auge zu blicken, dass wir zumindest für bestimmte Gruppen weitaus höhere Raten cannabiserfahrener und regelmäßig konsumierender junger Menschen annehmen dürfen, weil wir eine andere Realität einfach zu schockierend und vor allem politisch zu wenig korrekt fänden. In der Beängstigungsskala zahlreicher nicht ausreichend informierter Eltern rangiert Haschisch schließlich unmittelbar hinter der Heroinspritze.
Als Mitarbeiter einer Sucht- und Drogenpräventionsstelle kooperiere ich mit allen nur denkbaren Schulformen und Einrichtungen der sozialen Arbeit. Gleichgültig, ob es sich um Schulsozialarbeitsprojekte, Jugendzentren, andere offene Treffs, Wohngruppen, den sozialen Dienst von Jugendämtern, Beschäftigungsförderungsprojekte oder ehrenamtlich geleitete kirchliche Jugendgruppen handelt, die dort tätigen Mitarbeiter scheuen sich nicht, in großer Einmütigkeit zwischen 40 % und 80 % cannabiserfahrene junge Menschen zu schätzen, wenn sie an die »ganz normalen« Jungen und Mädchen denken, mit denen sie arbeiten. Irgendetwas kann also nicht so ganz stimmen: Entweder sind die offiziell verbreiteten Zahlen selbst neuester Studien zur Verbreitung von Cannabis unter den Heranwachsenden nicht stimmig, selbst wenn wir derzeit einen leicht rückläufigen Trend bestätigen können. Oder die Wahrnehmungen der jungen Menschen selbst sowie vieler Mitarbeiter in der sozialen Arbeit sind falsch. Persönlich bin ich klar entschieden, worauf ich mehr vertraue.
Die Drogenaffinitätsstudie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus dem Jahr 2008 beziffert die Zahl der drogenerfahrenen Kinder und Jugendlichen unter 14 Jahren mit 0,4 %, die Studie von 2010 mit 1,3 %. Das als Durchschnitt ermittelte Einstiegsalter für den Erstgebrauch von Cannabis wird in den Umfragen von 2004 und 2008 mit über 16 Jahren angegeben. Keine der beiden Aussagen vermag ich so zu bestätigen. Seit Jahren ist zu Recht davon die Rede, dass das Einstiegsalter für illegale Drogen ständig im Sinken begriffen ist. Wer unter diesen Umständen weiterhin davon ausgeht, dass nur 1,3 % der unter 14-Jährigen Erfahrungen mit Cannabis hat, verfehlt die Realität. In den meisten Schulklassen, die der Altersstufe 13 entsprechen, findet sich wenigstens ein Schüler, der bereits Haschisch oder Marihuana probiert hat. Eher sind es sogar 3 bis 4 Schüler, die über entsprechende Erfahrungen zu berichten wissen. Es lässt sich leicht unterscheiden, ob ihre Erzählungen authentisch sind oder ob sie sich nur interessant machen wollen. Bei der weitverbreiteten Klassenstärke von etwa 30 Schülern entspräche das immerhin einem Anteil von 3 bis 12 % 13-jähriger Schüler mit Cannabiserfahrungen, vorwiegend im Probier- und Experimentierstadium. Es handelt sich dabei fast ausschließlich um Jungen. Die geschlechtsspezifische Komponente des Kiffens ist mithin deutlich bestätigt. Als Junge oder Mädchen mit 13 oder 14 Jahren Cannabis zu benutzen ist glücklicherweise nicht die allgemeine Norm. Das durchschnittliche Alter für den Erstgebrauch der Droge muss jedoch deutlich nach unten korrigiert werden, denn mit 14 bis 15 Jahren steigen die Zahlen der haschisch- und marihuanaerfahrenen jungen Menschen sprunghaft an. Wer tagtäglich präventiv wie beratend mit Heranwachsenden beiderlei Geschlechts praktisch arbeitet und nicht bloß Daten über deren Lebensrealität erhebt, kann zu keinen anderen Schlüssen kommen. Die jüngsten Kiffer, mit denen ich in den letzten Jahren gesprochen habe und die es bereits faustdick hinter den Ohren hatten, waren gerade mal 11 und 12 Jahre alt geworden.
Es wäre wichtig, dass es gemeinsam gelänge, den eindeutigen Trend nach unten und den frühen Einstieg in den Gebrauch von Cannabis wie Alkohol zu stoppen, denn jedes gewonnene Jahr vor dem ersten Probierkonsum einer psychoaktiven Droge ist von unschätzbarem Wert für eine angemessene körperliche und seelische Entwicklung der Heranwachsenden. Das wissen wir nicht erst seit den Erkenntnissen der neueren Hirnforschung. Diese unterstreichen bloß noch einmal ausdrücklich die Dringlichkeit unseres Unterfangens aus hirnorganischer wie entwicklungspsychologischer Sicht.
Relativierende Einschätzungen:
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