Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
verkannt und damit verschleppt werden können, weil weder Angehörige und das soziale Umfeld der direkt Betroffenen noch Haus- oder erstversorgende Fachärzte ihnen die gebührende Aufmerksamkeit zukommen lassen. Die Liste subtiler Verhaltens- und Wesensveränderungen bei jugendlichem Cannabisgebrauch, die Lisa Lindberg und Christian Haasen vermerken, liest sich bis auf zwei, drei Symptome eigentlich recht unauffällig:
reduzierte Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit,
reduziertes Energieniveau,
herabgesetzte Motivation,
depressive Stimmungen,
Schlafstörungen,
erhöhte Müdigkeit,
Appetitlosigkeit oder erhöhter Appetit,
Angstzustände,
Misstrauen,
erhöhte Sensibilität,
Gefühle von Irritation bis Aggression,
Gefühlsschwankungen,
magisches Denken oder bizarre Gedanken,
Vernachlässigung der persönlichen Pflege,
nachlassende berufliche oder schulische Leistungsfähigkeit,
sozialer Rückzug.
Unvoreingenommen lassen sich alle Symptome als typisch pubertäre Verhaltensweisen verstehen. Genau deshalb werden sie zunehmend häufiger falsch gedeutet, wodurch wertvolle Zeit zur Frühintervention verstreicht. Der cannabiserfahrene Drogen- und Suchttherapeut liest die Liste anders. Er hat sehr im Blick, dass chronischer Cannabisgebrauch derartige Symptome nach sich zu ziehen vermag. Folglich nimmt er sie eher als Alarmsignale wahr, die in das Vollbild einer Cannabispsychose münden können. Psychische Störungsbilder im Zusammenhang mit früh einsetzendem und sich chronifizierendem Cannabisgebrauch sind stark im Steigen begriffen. Macht man auf diese Tatsache aufmerksam, läuft man Gefahr, von der interessierten Seite der Cannabisnutzer selbst sowie ihren heimlichen und unheimlichen Sympathisanten eines verkappten Abschreckungsversuchs, einer anrüchig beleumdeten Übertreibung oder gar der Dramatisierung bezichtigt zu werden. Begeht man die Unterlassungssünde des Beschweigens, rückt man in die Nähe derjenigen, die Cannabis ungeachtet veränderter Tatsachen weiterhin für eine harmlose Angelegenheit halten wollen. Eine nüchterne Bestandsaufnahme stößt auf Widerstände. Cannabis ist als jahrtausendealte psychoaktive Kulturdroge zu sehr von Mythen umweht, zu sehr drogenpolitisches Symbol, zu sehr ideologischer Zankapfel und insgesamt zu stark überhöhte Glaubenssache, als dass die heutige Cannabisrealität zu ihrem ungebrochenen Recht kommen könnte.
Wer selbst Cannabis konsumiert und bei meinen Worten einen Widerwillen dagegen verspürt, dass Cannabispsychosen in wachsenden Maße Realität werden, vertraut vielleicht mehr auf Amon Barth, der beschreibt, wie er schleichend in seine Psychose abglitt:
»Alles dreht sich, jede Gehirnzelle scheint davonzuschwimmen, ich kann keine Zusammenhänge mehr herstellen zwischen dem Raum, den Leuten, die da sitzen, und mir selbst. Nichts ergibt Sinn. Gleichzeitig ist das erleichternd. Endlich muss etwas keinen Sinn haben. Der Raum dehnt sich und dreht sich, eine vierte Dimension kommt hinzu, ich scheine auf einmal einen erweiterten Blickwinkel zu haben. Wow! Schwebe über meinem Körper und spüre gleichzeitig jede seiner Zellen. Simultanexistenz.
Irgendwann gegen sechs Uhr morgens wache ich als irgendjemand irgendwo auf. Ich weiß weder, wer ich bin, noch, wo ich bin. Panik.«
Noch verbucht er das nach der ersten Panik als »Kiffertrophäe«, doch in seinem »Leben als Kiffer« nimmt das Abgleiten in die Psychose Tempo auf:
»Ich denke zu viel. Während ich stoned auf dem Sofa sitze, höre ich meine innere Stimme unentwegt plappern. Manchmal schreibe ich mit. Endlose, sich um sich drehende Betrachtungen, die sich im breiten Nichts verlieren. Dunkler, schwerer Rauch liegt im Raum Meine Seele erstickt unter der Asche.«
Es ist in der Regel nicht das große, spektakuläre Drama, nach dessen plötzlichem Auftreten sich eine wachsende Zahl von Cannabisgebrauchern in der Psychose wiederfindet, sondern in der Mehrzahl der Fälle vollzieht sich das Abgleiten genauso schleichend, wie es Amon Barth erlebt hat, bevor er der Tatsache ins Auge blicken musste, dass er völlig die Kontrolle über sein Leben verloren hatte.
Wie hartnäckig der Widerstand in manchen Kifferkreisen ist, das Risiko einer Cannabispsychose ernst zu nehmen, verdeutlichen auch die Erlebnisse eines meiner aktuellen Klienten. Der 23-jährige junge Mann war vor Jahren schon einmal stationär wegen paranoider Wahnvorstellungen psychiatrisch behandelt worden. Danach hatte er in seiner Clique mehrere Rückfälle
Weitere Kostenlose Bücher