Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
letzten Krümel Haschisch gesucht, um was zu rauchen zu haben. Ich entwickle auch schon wieder lauter Scheißfantasien, wie ich an Geld kommen könnte.«
Der junge Mann hat sich schon mal ein Messer in den Arm gerammt vor lauter Wut auf sich selbst. Mit seinen dunklen Augenringen sieht er aus wie »der eigene Tod auf Urlaub«. Seine schlimmste Angst ist die vor einem weiteren Entzug:
»Ich schaffe das nicht noch einmal. Ich will es auch nicht mehr. Lieber werfe ich mein Leben weg, als wieder von vorne so einen quälenden Entzug machen zu müssen. Da ist mir alles egal. Dann hab ich wenigstens meine Ruh. Von wegen Haschisch macht nicht abhängig. Wenn mir das noch mal jemand sagen würde, würde ich ihn wegen diesem Schwachsinn am liebsten in Grund und Boden rammen.«
Mit seiner Mutter liegt der 18-Jährige im Clinch, weil sie ihn auf eine Weise zu unterstützen versucht, die er bloß als unerträglichen Druck wertet. Erführe seine Mutter den Namen seines Dealers, würde sie ihn ohne Zögern anzeigen. Davor hat ihr Sohn blanke Panik: »Der würde mich kaltmachen oder umbringen lassen. Da könnte mich keiner schützen. Der käme nicht mal in den Knast, weil die Polizei sowieso nicht mehr als ein paar Gramm bei dem finden würde.« Seinen Bunker mit großen Mengen Stoff hat sein Dealer ausgelagert. Er scheint in der Tat einer der übleren Sorte zu sein, der wenig zimperlich wäre, den jungen Mann richtig unter Druck zu setzen.
Vom Kopf her ist meinem Klienten absolut einsichtig, was er tun müsste, um sich von seiner Abhängigkeit zu befreien, »aber ich habe die Kraft und den Willen nicht mehr«. Im Grunde ist er ein liebenswerter Kerl, was er aber selbst nicht annehmen mag, obwohl er es tief drin in sich spürt. Und so vermeidet er derzeit noch, herauszufinden, wer er eigentlich ist, und sucht unablässig etwas zu sein, das er nicht ist. Ob ich ihm während unseres letzten Gesprächs ausreichend Mut einflößen konnte, seine Ängste vor den erforderlichen Schritten zu besiegen, werden die weiteren Termine erweisen.
Eine völlig anders gelagerte »Angstgeschichte« betrifft ein 14-jähriges Mädchen. Die Angst hatte sich in es hineingefressen und saß wie ein fester Stein in ihm. Das Mädchen fühlte sich innerlich mehr und mehr von dem unverdaulichen Brocken ausgefüllt. Der Hintergrund war eigentlich recht undramatisch. Das Mädchen litt an einer chronischen, unheilbaren, aber keineswegs lebensbedrohlichen Stoffwechselkrankheit. Unter Berücksichtigung überschaubarer Ernährungsregeln lässt sich mit der Krankheit leben. Eine unsensible Hausärztin hatte die 14-Jährige unnötigerweise mit dem Virus panischer Angst angesteckt. Sie hatte ihr mehrfach zu verstehen gegeben, wenn sie dieses und jenes nicht beherzige, bekomme sie Krebs. Seither litt das Mädchen seelische Qualen. Sie war das reinste Nervenbündel. Fahrig und beständig unter Hochspannung, fand sie keinen natürlichen Moment der Ruhe mehr. In ihrem Kopf existierte nur noch ein Wort: »Krebs, Krebs, Krebs …« Wie ein rotes Warnsignal blinkte das unheilvolle Wort vor ihrem geistigen Auge auf. Ohne Unterlass horchte sie in ihren Körper hinein. Bei jeder unvertrauten körperlichen Empfindung dachte sie an Krebs, Operationen, Schmerzen und Sterben. Ihre Ärztin hatte ihr ohne Not eine sie verfolgende fixe Idee eingepflanzt, der sie nicht mehr zu entgehen wusste. Sie fühlte sich mit ihrer Angst allein, unverstanden. Fatalerweise hatte sie in ihrer Not ein Hilfsmittel entdeckt, das ihr unmittelbare Linderung versprach. Seit mehreren Monaten gebrauchte sie regelmäßig Marihuana:
»Ich bin dann ruhiger, kann mich mal wieder entspannen. Meine Angst lässt mich für ein paar Stunden in Ruhe, und ich kann auch mal wieder lachen. Ich kann das anders nicht mehr aushalten, weil ich immer daran denken muss, dass ich Krebs bekomme.«
Kiffen war nun wirklich nicht die Lösung ihres Problems. Sie wusste das vom Kopf her wohl und wollte von mir wissen, wie gefährlich ihr Kiffen für sie sei. Doch zu einer Risikoabwägung wäre sie gar nicht in der Lage gewesen. So sprach ich weniger über das Kiffen mit ihr als über seine Ursache. Die Überflutung mit Krebsangst, die sie mithilfe der Wirkungen von Marihuana einzudämmen suchte, gestattete kein Zuwarten. Als Soforthilfe klärte ich sie erst einmal über das tatsächliche Risiko ihrer Krankheit auf. Von einer Klientin, die seit vielen Jahren unbehelligt damit lebt, war mir das Krankheitsbild bestens vertraut.
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