Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
Ich riet dem besorgten Mädchen dennoch, meine Aussagen zu ihrer doppelten Sicherheit von einem feinfühligeren Arzt, dessen Name und Adresse ich ihr aufschrieb, bestätigen zu lassen. Schließlich bat ich sie um ihre Einwilligung, mit ihren Eltern sprechen zu dürfen, denen ich eine Behandlung ihrer Tochter bei einem Kinder- und Jugendlichentherapeuten vorschlagen wollte. Da es nicht um ein Drogen-, sondern um ein Angstthema ging, war dieses »Clearing« naheliegend. Die Angst, Unruhe und Fahrigkeit, welche die schulischen Leistungen der 14-Jährigen in Mitleidenschaft zu ziehen drohten, waren den Eltern überzeugender Anlass genug, die nötigen Hilfestellungen einzuleiten.
Von einer sich generalisierenden Lebensangst zeugen die Schilderungen einer 41 Jahre alten Lehrerin:
»In den letzten Jahren empfinde ich mein Leben zunehmend als eine einzige große Anstrengung. Manchmal würde ich mich am liebsten ganz daraus zurückziehen. In der Schule wird es immer unerträglicher. Stundenerhöhungen, Druck von oben, Kollegen, die den Mund nicht mehr aufmachen, Schüler, die von Jahr zu Jahr problematischer werden. An manchen Tagen ist es so schlimm, dass ich mich kaum noch in die Klassen traue. Dann erlebe ich die Kinder wie Monster, von denen ich mich aufgefressen fühle. Ich bin so was von genervt und aggressiv, dass ich die Kinder am liebsten anschreien oder sogar alle nach Hause schicken würde. Dann habe ich wieder ein schlechtes Gewissen, weil ich denke, die können doch nichts für die Zustände. Die reagieren doch selbst nur darauf. An solchen Tagen rauche ich zum Abschalten schon mal Haschisch, wenn ich nach Hause komme, keine riesigen Mengen, aber doch so viel, dass ich runterkomme. Alkohol vertrage ich nicht, und ich glaube, das ist im Moment auch besser so für mich. Haschisch ist Balsam für meine Nerven, fast wie eine Seelenmassage. Ich fühle mich wie in einen weichen Kokon eingehüllt. Der Druck lässt nach, und ich funktioniere wieder eine Zeit lang, ohne dass ich gleich losschreien möchte.«
Seit wir zusammen erarbeitet haben, dass sie offiziell ihren Beschäftigungsumfang reduziert, sie sich einer Supervisionsgruppe angeschlossen und selbstfürsorgliche Strategien zum Umgang mit der eigenen Person verinnerlicht hat, fühlt sich die Lehrerin wieder genuss- und arbeitsfähiger.
Ich weiß nichts Richtiges
mit mir anzufangen, oder:
Ich zocke, ich kiffe gegen
die Langeweile total …
»Ich weiß nichts anderes mit mir anzufangen«, fasst ein 16-jähriger Schüler seine Gründe zusammen, weshalb er täglich Haschisch gebraucht. Er besucht eine wenig attraktive Schulform, bei der er sich in unserem krankenden Schulsystem auszurechnen in der Lage ist, was er sich noch an Bildungschancen zu erhoffen hat. Schulisch abgefragte Leistungen hat er derzeit nicht vorzuweisen. Geistig minderbemittelt ist der junge Mann keineswegs, doch völlig antriebslos, was sein zielgerichtetes Fortkommen anbelangt.
Erste Kontakte hatte ich zu ihm durch freiwillige innerschulische Kleingruppenberatung bekommen. Mit seinen Freunden saß er mir breitbeinig und betont lässig gegenüber. Trotz seiner »Coolness« machte er einen kläglich verlorenen Eindruck auf mich, wie ein aus dem Nest geworfener Jungvogel. Über seine Lebensumstände berichtete er knapp, dass er viel allein sei. Seine Eltern beurteilte er wenig schmeichelhaft: »Die schaffen beide an.« Er meinte damit, dass sowohl Vater wie Mutter blindlings ihrer Erfolgs- und Arbeitssucht nachgingen. Regelmäßig kämen beide Elternteile erst spätabends nach Hause. Respekt für deren berufliches Eingespanntsein vermochte der junge Mann nicht aufzubringen: »Meine Eltern könnte ich beide in der Pfeife rauchen. Die würden doch nicht mal mitkriegen, wenn ich drei Tage lang nicht zu Hause wäre.« Ihr Sohn dagegen wollte gar nicht so flügge sein. Am liebsten mied er jegliche Anforderung, die das Leben »draußen« an ihn stellen konnte. Sein bevorzugter Aufenthaltsort war sein Zimmer in der elterlichen Wohnung, vollgepfropft mit Computer- und Technikgeräten der jeweils neuesten Generation. Finanziell war es den Eltern ein Leichtes, ihren Sohn zu versorgen. Über Taschengeld verfügte er als 16-Jähriger »bis zum Abwinken«. Bevorzugt kaufte er sich davon Markenklamotten, Computerspiele und »Ecken mit Mengenrabatt«. Seine Eltern waren außerdem immer dann zur Stelle, wenn es darum ging, ihren Sohn vor unliebsamen Konsequenzen seines Verhaltens zu bewahren. Immer, wenn ihm
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