Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
meinen Händen mache, gerate ich nicht in eine so diffuse Traurigkeit. Das Gefühl taucht nicht auf, dass ich gar nicht mehr da bin.« Die Erfahrung, sich selbst sichernden Halt geben zu können und die eigenen seelischen wie körperlichen Grenzen in den inneren Empfindungsraum hineinzunehmen, bestärkte ihr Wachstum. An die Stelle von Selbstaufgabe durch grenzenlose Anpassung an andere trat die Fähigkeit zu angemessener Abgrenzung.
Mit meiner Frage, ob ihre damalige Wohnsituation tatsächlich noch ihren Bedürfnissen entspreche, setzte ich ihr »einen Floh ins Ohr«, der ihre wachsende Lust auf eigene innere wie äußere Räume und weitere Verselbstständigung traf. Sie reagierte mit zwei Schritten: Zuerst gönnte sie sich ein zusätzliches Zimmer in ihrer Wohngemeinschaft, um kurz darauf nach vielen Jahren mit wechselnden Mitbewohnern in dieser Gemeinschaft den Versuch zu wagen, alleine zu leben.
Nach diesem richtungsweisenden Schritt eroberte sich die Klientin im Lauf unserer gemeinsamen Arbeit konsequent wieder das »Geburtsrecht« auf ihre eigene Lebendigkeit zurück. Es kam der schöne Augenblick, in dem sie zum ersten Mal im Gefühl tiefster innerer Überzeugung wieder den Satz aussprechen konnte: »Es darf mir gut gehen.« Damit brach sie endgültig das machtvolle Verdikt, das ihrer Lebensgeschichte die Überschrift gab. Danach war Cannabis für sie bloß noch ein Kapitel in ihrer Erinnerung, aber keine Versuchung mehr. Es folgten als nächste Schritte eine tiefe innere Versöhnung mit ihrer Geschichte und eine äußere Versöhnung mit ihren realen Eltern, sodass sie Monate später auch den Tod ihrer Mutter gut zu bewältigen wusste.
Mit Unterbrechungen erstreckt sich mein Kontakt zu der Klientin jetzt schon über viele Jahre. Doch unsere therapeutische Beziehung ist seit vier Jahren erfolgreich abgeschlossen. Gegen deren Ende erklärte sie: »Ich habe jetzt Lust darauf, erwachsen sein zu wollen, aber in einem für mich guten Sinne.« Heute treffe ich die sich erwachsen zeigende Frau bloß noch anlässlich besonderer Fortbildungen, die sie sich gönnt.
Familiäre Muster und
Beziehungssysteme
Heimat sind die Menschen,
die uns verstehen
und die wir verstehen.
(Max Frisch)
Gleichgültig ob kleine oder große Familien, vollständige, auseinandergebrochene, unvollständige oder neu zusammengesetzte Patchworkfamilien – in allen Familienkonstellationen sind die darin lebenden Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen in Beziehungen miteinander verwoben. Familien bilden jede für sich eine systemische Einheit, die nach ausgesprochenen wie unausgesprochenen Regeln funktioniert. Das Zusammenleben der Familienmitglieder kann sich auf alle Beteiligten förderlich auswirken, oder die täglichen Missverständnisse und Fehden führen zu wachsenden Schwierigkeiten, welche letztlich auch in einen Suchtmittelgebrauch von einzelnen oder mehreren Personen in einer Familie führen können. Eine begründete Auswahl von problemlastigen familiären Mustern und Beziehungssystemen, die Drogengebrauch und Suchtverhalten nach sich ziehen können, stelle ich mit der Chance zukünftiger Vermeidung hier vor.
Mütter und Söhne:
Ich tue alles für dich …
Selbst wenn es heutzutage angesichts sich verändernder Rollenbeziehungen zwischen Frauen und Männern nur noch schwer vorstellbar erscheint, existiert nach wie vor ein uraltes familiäres Beziehungsmuster, das männliche Nachkommen anfällig für Cannabiskonsum macht. Es ist die Art, wie bestimmte Mütter ihre Söhne in Unselbstständigkeit halten, die es jenen während der Pubertät und Adoleszenz schwierig macht, »flügge« zu werden.
Ungebrochen sehen manche stolzen Mütter in ihren Söhnen »kleine Prinzen«, für die sie fast alles zu tun bereit sind. Von Geburt an wird ein »Prinzensohn« über das angemessene Maß hinaus gehegt und gepflegt. Die Fürsorge für ihn wird zur Lebensaufgabe der Mutter. Bis weit in die Pubertät hinein nimmt sie ihrem Sohn alles ab, was als Lebensaufgaben auf ihn zukommt, und hintertreibt mit System dessen rechtzeitige Verselbstständigung. Sie kocht ihm sein Lieblingsessen, kleidet ihn sorgfältig ein, wäscht und bügelt ihm die Wäsche, hält ihn zur Körperpflege an, weckt ihn morgens, räumt sein Zimmer auf, trägt ihm seine Sachen hinterher, macht mit ihm zusammen die Hausaufgaben, fährt ihn hierhin und dorthin, lässt ihn keine altersgemäßen Aufgaben allein bewältigen und Fehltritte konsequenzenlos durchgehen. Ohne es zu
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