Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
wahrzunehmen in der Lage war. Der Sohn konnte die Probleme für seine Mutter unmöglich lösen. Sein Vater traute sich auf der erwachsenen Paarebene nicht, von seiner Frau mehr eigenaktive Bewältigung ihrer ausufernden Befürchtungen einzufordern. Welchen »Sekundärgewinn« er davon hatte, war noch nicht so ohne Weiteres ersichtlich. Vater wie Sohn atmeten hörbar durch und auf, als ich die Mutter klar und deutlich auf ihre eigenen Ängste hin ansprach. Zunächst ging ich auf den Vorwand unseres aktuellen Gespräches ein: Das Kiffen ihre Sohnes nähme ich nicht auf die leichte Schulter. Zu ihrer eigenen Entlastung und Sicherheit würde ich ihr jedoch empfehlen, einen Austausch mit den Eltern anderer Kiffer in einer Elterngruppe zu suchen. Erwartungsgemäß ging die Mutter auf diesen Vorschlag erst einmal nicht ein. Anschließend spiegelte ich ihr meinen Eindruck, dass ich hinter dem Ausmaß ihrer Verunsicherung noch weitere Quellen vermutete als das Verhalten ihres Sohnes. Die Mutter saß wie eine Glucke auf ihrer Angst, momentan nicht bereit, sie »herzugeben« oder loszulassen. Ich gab ihr ausreichend »Bedenkzeit« mit, indem ich einen zweiten Gesprächstermin 6 Wochen später vereinbarte. Zum Abschluss legte ich der Mutter noch freundlich nahe, sie solle doch in dieser Zeit einmal versuchen, sich selbst jeden Tag ganz bewusst etwas Gutes zu tun und es darüber hinaus strikt vermeiden, mit ihrem Sohn über Kiffen und Schule zu reden. Mit dem Sohn handelte ich aus, ob er einmal für sich ganz persönlich den Wahrheitsgehalt seiner Aussage überprüfen wolle: »Wenn ich will, kann ich jederzeit mit dem Kiffen aufhören.« Dem Vater gab ich mit auf den Weg, in seiner dienstfreien Zeit etwas Gemeinsames mit seinem Sohn zu unternehmen.
Beim zweiten Gespräch nach 6 Wochen hatten sich die Schwierigkeiten in der Familie zwar nicht in Luft aufgelöst, doch die Situation war entspannter. Der Vater grenzte sich mehr von den Angstappellen seiner Frau ab, ohne sich ihr zu entziehen. Im Gegenteil: In seiner freien Zeit war er als »Mann« wie als »Vater« präsenter. Er setzte seinem Sohn mehr für diesen einsichtige Grenzen und war weniger dessen verschwörerischer Komplize. Der Sohn hatte den Griff zu Haschisch zwar noch nicht vollständig aufgegeben, beschränkte ihn aber auf die Wochenenden. Sein Kiffen hatte deutlich die Funktion als Mittel zum Zweck der Entlastung eingebüßt. Die Mutter stimmte zu, dass ihr Sohn ihr weniger Sorgen bereite, wenn sich nicht alles nur ums Kiffen und um die Schule drehe. Außerdem liebäugelte sie damit, sich aufgrund ihrer eigenen Ängste professionelle Hilfe zu gönnen.
Wer auch immer in seinem Leben mit übersteigerten oder generalisierten Lebensängsten zu kämpfen hat, sollte sich schon allein im Eigeninteresse darum bemühen, sich seine Ängste mit professioneller Unterstützung anzuschauen und ihre tieferen Ursachen erstens zu ergründen und zweitens aufzulösen. Der Preis der Lebenseinschränkung durch ein permanentes Zurückweichen vor der Angst ist eindeutig zu hoch.
Du hast die meiste Ähnlichkeit
mit Vater …
Es ist für Kinder und Jugendliche immer eine schwere Bürde, wenn sie beständig an einem Familienmitglied gemessen werden, dem sie besonders ähnlich sind, oder wenn sie, einem unbewussten familiären Auftrag folgend, wie eine »Gedenkkerze« ein Stellvertreterleben für eine bereits verstorbene Person führen sollen. In jedem Fall werden sie ihrer eigenen Persönlichkeit und Individualität beraubt und genötigt, anders zu sein, als es ihrem Wesen gemäß wäre.
Eine 46 Jahre alte Geschäftsfrau kam mit ihrem 18-jährigen Sohn in Beratung, weil jener seit seinem sechzehnten Lebensjahr Haschisch rauchte. Der Sohn kam bereitwillig mit, da er mich von früheren präventiven Schulveranstaltungen persönlich in Erinnerung hatte. Er versprach sich Unterstützung für seine eigenen Schwierigkeiten. Die Frau hatte noch zwei weitere Söhne im Alter von 13 und 10 Jahren. Das von der Mutter vorgetragene Haschischproblem ihres Ältesten erwies sich bei näherer Betrachtung schnell als recht nebensächlich. Der junge Mann konsumierte nämlich nicht regelmäßig, sondern nur dann, wenn er Abstand von seiner ihn vereinnahmenden Mutter suchte. Deren Ehemann, den sie zweifellos sehr geliebt hatte, war zwei Jahre nach der Geburt des jüngsten Sohnes nach kurzer, schwerer Krankheit verstorben. Seitdem war die Mutter mit einer doppelten Belastung allein geblieben. Sie führte den
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