Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
zunächst vom Haschischgebrauch seines Sohnes, der ihn besorge. Er sprach besonnen und unaufgeregt. Selbst inhaltlich wurde nicht so ohne Weiteres ersichtlich, was denn das Dramatische am Verhalten seines Sohnes sein sollte. Nickend bestätigte der Sohn alles, was sein Vater über ihn berichtete. Mir drängte sich das Gefühl auf, dass zwischen den beiden ein geheimes Einverständnis oder genauer noch eine augenzwinkernde Komplizenschaft bestand, die auf den Punkt hinauslief: »Es ist alles halb so wild.« Während des Sprechens warf der Vater mehrfach lange, nachdenkliche Blicke zu seiner Frau hinüber, die dasaß wie in sich erstarrt und sich zusammenhaltend. Als ich sie schließlich aufforderte, die Situation aus ihrer Sicht zu schildern, brach sie unmittelbar in Tränen aus. Soweit es ihr Schluchzen zuließ, erzählte sie stoßweise von ihrer heftigen Angst um ihren Sohn. Sie könne den Gedanken nicht ertragen, dass er regelmäßig Haschisch rauche. Sie habe solche Angst, ihn an die Drogen zu verlieren. Er sei doch noch so jung und richte sich schon zugrunde. Vater und Sohn blickten betreten zu Boden, schienen aufs Unangenehmste berührt. Die übersteigerte Reaktion der Mutter stand in keinem Verhältnis zu dem, was bisher über ihren Sohn gesprochen worden war. Die Mutter ließ nicht mehr locker. Sie verbiss sich regelrecht in ihre negativen Visionen. Mir blieb nur noch der Gedanke: »Das Problem in der Familie ist nicht in erster Linie der Sohn, sondern vielmehr die Mutter.« Von ihr strömte mir unentwegt eine irrationale, ins Unverhältnismäßige übersteigerte Angst zu, die ohne Unterlass zu fordern schien: »Nehmt gefälligst Rücksicht auf mich. Tut etwas, damit es mir bessergeht.« Die negative Erwartungshaltung betraf nicht nur das Kiffen ihres Sohnes, sie erstreckte sich auf alle Lebensbereiche. Jede Sekunde konnte etwas Fürchterliches passieren. Mit ihrer Angst und »Weinerlichkeit« terrorisierte die Mutter den Rest der Familie geradezu. So ernst ich die Gefühle der Frau auch nahm, ich musste mir innerlich erst einmal eingestehen, dass ich ihr Gerede in Bezug auf ihren Sohn für ungemein übertrieben hielt und obendrein als theatralisch empfand. Die Mutter strapazierte meine Geduld und meine Nerven mit ihrem Geklage. Ich fragte mich, wie sich ihr Mann und ihr Sohn wohl fühlen mussten. Obgleich die Mutter spürbar an sich selbst litt, schob sie ihrem Sohn die Verantwortung dafür zu, dass es ihr so schlecht ging. Der Junge vermochte die Last nicht zu tragen. Die ihm von seiner Mutter wortlos übermittelte Botschaft »Verhalte dich unter allen Umständen so, dass ich keine Angst haben muss« war zu einer zementierten Familienregel gegossen, die ihm die Luft zum Atmen raubte.
Als er die Gelegenheit bekam, zu seinem Kiffen Stellung zu nehmen, erzählte er, wie befreit und locker er sich fühle, wenn er Haschisch rauche. Außerdem »muss ich mir dann keine schweren Gedanken mehr machen«. Der Blick auf seine Mutter verriet, dass er die schweren Gedanken um seine Mutter meinte, was er sich aber nicht direkt zu formulieren traute. Selbst mein Eindruck war: »Von dem Druck einer solchen Angst braucht es Entlastung.« Der Junge verneinte, an seinem Kiffen irgendetwas Problematisches erkennen zu können. Selbstverständlich durfte auch der übliche Zusatz nicht fehlen: »Wenn ich will, kann ich außerdem jederzeit damit aufhören.« Noch war das bereits zur Gewohnheit gediehene Haschischrauchen des Jungen nicht wirklich das Problem, als das es von den Eltern ausgegeben wurde. Allerdings drohte der Sohn genau in die Rolle des Sorgenkindes hineinzuwachsen, die ihm zur Ablenkung von den tiefer liegenden Ängsten der Mutter familiendynamisch »zugedacht« war. Auf meine Frage, ob er den Eindruck habe, als 14-jähriger Junge schon einmal einen Preis für sein gewohnheitsmäßiges Kiffen bezahlt zu haben, den er eigentlich nicht hatte zahlen wollen, schüttelte der Sohn zunächst den Kopf. Er besann sich indes unmittelbar und gestand sichtlich betrübt, dass er wegen nachlassender Schulleistungen vom Gymnasium auf eine ihm weniger abverlangende Schulform wechseln musste. Das habe er nicht gewollt: »Seither rauche ich im Übrigen deutlich seltener Haschisch. Aber das hat meine Mutter nicht mitgekriegt.« An dieser Stelle bezog er sich zum ersten Mal versteckt darauf, dass seine Mutter seiner Meinung nach so sehr mit ihren Lebensängsten beschäftigt sei, dass sie von ihm als ihrem Sohn das Wesentliche gar nicht
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