Haschisch
funkelte. Sie entdeckte die Goldstücke. Ich konnte mich kaum aufrecht halten, doch Dolcisa stieß einen Freudenschrei aus: »Die Madonna war gnädig, sie hat mein Gebet erhört, nun kann ich der Schwester ein würdiges Begräbnis schaffen.«
Dankbar fiel sie wieder in ihr Gebet zurück.
Es war hell geworden. Ratlos stand ich vor der Gruppe. Ich fragte Dolcisa, ob ich ihr irgendwie dienen könne. Aber sie verneinte und sank sofort wieder in inbrünstiges Gebet.
Ich verließ sie.
Zwei Tage ging ich wie verstört umher. Weder in meiner Wohnung, noch in den Straßen fand ich die Ruhe vor dem Gedanken, daß ich den Tod umarmt hatte. Am dritten Tag faßte mich eine unbezwingliche Neugier. Ich suchte das Viertel wieder auf, um etwas über die Bewohnerinnen des alten Palazzo zu erfahren. Als ich den kleinen Platz betrat, sah ich eine Menschenmenge, die sich um das weit geöffnete Hauptportal des Palastes geschart hatte. Ein Priester mit zwei Chorknaben trat auf die Straße. Dann wurde ein schwarzer Sarg herausgetragen, der, mit verschnörkelten Silberblumen verziert, einen Eindruck von Großartigkeit machen sollte. Man lud ihn in eine gemietete Gondel und breitete die wenigen Kränze möglichst darüber aus. Dolcisa folgte schluchzend in dürftigem, doch aufgeputztem Trauergewand. Sie bestieg eine zweite Gondel, begleitet von einem uralten, gebrechlichen Herrn in altmodischer Eleganz, der sich sehr unbehaglich fühlte. Einige Personen bestiegen eine dritte Gondel, und still schlich der Leichenzug durch die Lagunen. Ich hatte fast besinnungslos zugeschaut.
Der Flüsterton der Umstehenden erhob sich nun zu lebhaftem Plaudern.
»Die armen Marchesinen«, sagte eine Alte, »und früher – welch ein glänzendes Leben in dem Palazzo, als der alte Marchese noch lebte ...«
»Sie waren liederlich«, behauptete eine dicke Bäckersfrau, »keiner wollte mehr mit ihnen zu tun haben.«
»Gegen Ersilia kann niemand etwas sagen«, meinte ein junger Mann, »sie war tugendhaft.« Dann gingen viele Stimmen durcheinander: »Schwindsucht, langsames Hinsterben ... die arme einsame Dolcisa ... noch so jung ... aber sie hat den alten Oheim ... sie wird sich ein glänzenderes Schicksal suchen, als ihn zu Tode zu pflegen ...«
*
Alta-Carraras Erzählung war zu Ende. Um mich her sah und roch ich geschnitztes, altes, wurmstichiges Holz und hörte, wie langsam morsche, jahrhundertealte Marmorpaläste zerbröckelten, an denen Moos wuchs. Überall lag Moderduft, es war zum Ersticken. Man hörte durch die Zeit hindurch die Werke der Menschen faulen. Ringsum rauschten die Jahrhunderte in trüben Dämpfen empor. Alles schien vom Kuss des Todes berührt und war zum Niedergang bestimmt. Ich hatte das dumpfe Gefühl, als trüge ich selbst mit die Schuld, daß die Welt sterben sollte. Ach, ich hatte meine Tage schlecht benutzt. Es hätte anders werden können, wenn ich gewollt. Wie freute ich mich über die Züchtigung, die mir ward. Die Leiden, auf die ich gewartet, begannen. Mir war, als stürzte mitten in der zerbröckelnden Welt etwas klirrend zusammen, was mich in hohem Maße betraf. Es sah zwar, als ich hinblickte, nur aus wie eine Meßbude, so eine purpurrot tapezierte mit vergoldeten Spiegeln, vor denen Lampen brennen. Darin aber konnte man durch Gucklöcher die Haupthandlungen meines Lebens sehen. Und es war mir höchst fatal, daß so viele Leute hineingeschaut hatten. Das wunderte mich selbst, denn früher war ich stolz auf mein reiches, buntes Leben.
»Weiter ... weiter ...«, rief ich, »mehr von dieser bittersüßen Weisheit.« Und wie aus einem Abgrund tauchte ein kräftiger Mann auf. Er hatte einen blauschwarzen, viereckig geschnittenen Bart, wie ein assyrischer Magier, und war von violettem Samt umwogt, den er wie eine geliebte Katze streichelte. Er sprach gleichgültig, in fast verächtlichem Ton, der sich aber später zu heftiger Erregung steigerte. Er erzählte:
Die Sünde wider den Heiligen Geist
In Spanien gab es einmal ein paar junge Leute, die sich einen wirklichen Spaß machen wollten. Alles, was an Wahnsinn oder an das Hospital erinnerte, lag ihnen fern. Sie verschmähten auch, berauschende Drogen einzunehmen. Diese höchstschwächlichen Notbehelfe waren der damaligen Zeit nicht gemäß. Man wußte auch nichts vom Spiritismus, dieser Kloake der Mystik, noch von der Hypnose, mit der in unserer wunderlosen Zeit die exakte Wissenschaft nachgehinkt kommt. Es sollten einfach aus der Kraft des Willens heraus, mit Hilfe von Witz,
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