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Haschisch

Haschisch

Titel: Haschisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar A. H. Schmitz
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Sollte sie doch eine Dame sein, die heimlich einmal ein Karnevalsabenteuer haben wollte? Aber diese alten zerfallenen Paläste werden ja oft zu Spottpreisen an alle Welt vermietet. Dolcisa ließ mich lange warten. Vielleicht hat sie nicht den Mut, mich hereinzurufen, dachte ich und trat leise in das Gemach. Es war dunkel. Aus der Ecke vernahm ich leises Seufzen, und mir war, als wälze sich jemand auf einem Lager.
    »Sie wartet auf mich«, sagte ich mir, »es ist galant, ihr die Lage so leicht wie möglich zu machen.«
    Ich ging vorwärts, bis ich an die Kante des Lagers stieß, wo das Weib lag. Unter meinen Küssen stöhnte sie auf, krallte sich um mich und rief zur Madonna. Mich erschreckte diese entsetzliche Erregung.
    Sie ist vielleicht aus Neapel, reimte ich mir zusammen. Ich wußte bereits, daß die Frauen Venedigs anders lieben, ruhig die Küsse schlürfen. Wie es so oft bei diesen schnellen Abenteuern geschieht, überkam mich – ich will nicht sagen Widerwille –, aber vollkommene Sattheit im Augenblick nach dem Genuß. Ein unbezwinglicher Trieb nach Alleinsein, nach meinen eigenen Zimmern erfaßte mich, und mir war, als sei dieses ganz gewöhnliche Gefühl heute maßlos gesteigert, wie bei einem Verbrecher, der vor dem Schauplatz seiner Tat ein Grausen empfindet. Ich sprang auf, sie hielt mich nicht zurück. Durch die Art unserer Zusammenkunft glaubte ich mich berechtigt, ihr ein paar Goldstücke in die Hand zu drücken, die sich krampfhaft schloß. Dann eilte ich hinaus. Auf der Treppe vernahm ich Schritte hinter mir.
    »Komm doch, mein Lieber«, rief Dolcisa, »warum gehst du fort?«
    Zwei nackte Arme umschlangen mich. Eine weiche Wange lehnte sich in der Finsternis an die meine, junger, heißer Odem umquoll mein Gesicht. Willenlos ließ ich mich wieder die Treppen hinaufziehen. Dolcisa führte mich durch das Gemach, wo ich vorher gewesen, in eine anstoßende kleine Kammer. Durch ein Dachfenster floß dünne Dämmerung herein. Auf einem Stuhle hingen schwarze Gewänder und zwei dicke strohgelbe Kerzen lagen darauf.
    »Das ist für Ersilia, wenn sie tot ist«, erklärte Dolcisa. Ihr weißes Hemd triefte von gespenstischer Helle.
    »Mach doch Licht«, bat ich ein wenig gedrückt.
    »Nein, nein! Es ist alles so einfach und ärmlich. Wir müssen hier oben wohnen, denn die großen Säle sind im Winter so kalt. Sie sollen auch erst hergerichtet werden, aber wir haben unser Geld verloren.«
    »Bist du eine Marchesina?« fragte ich wieder erstaunt.
    »Das kann dir doch gleich sein. Du bist noch ein rechtes Kind.«
    Hatte ich sie verletzt? Sie trat an die Wand, wo ein buntes Wachsbild der Muttergottes hing. Davor züngelte hinter rotem Glas ein Ölflämmlein, dessen Schein das Bild rosig benetzte. Dolcisa blies nach der Flamme.
    »Was macht du?«
    »So sieht die Madonna nicht, was wir tun.«
    Dann kam sie zu mir. Wir sanken auf ein Lager und dieses Mal genoß ich die sanfte, schwere, fast etwas träge Umarmung einer Venezianerin.
    Dolcisa erhob sich zuerst. Nackt ging sie in das andere Gemach, in das nun auch die Dämmerung drang. Sie näherte sich dem Lager, wo ich vorher gelegen und schob die Hand unter die Laken.
    »Tot!« rief sie plötzlich mit leichtem Schrecken. Willenlos sank sie vor dem Bett auf die Knie. Das nackte Weib betete im Dämmerlicht.
    Erschrocken sprang ich auf. Ich zündete eine der strohgelben Kerzen an, hielt das Licht hoch und trat in das Nebenzimmer. Wie erstarrt blieb ich an der Tür stehen, als der flackernde Schein das Bett erhellte. Dort lag mit glasig blickenden Augen ein wundervolles junges Weib, dem wie eine geheimnisvolle Wolke reiches dunkles Haar um den Kopf wallte. Sie war sehr blaß, von unnahbarer weihevoller Schönheit, wie eine antike Götterstatue. Dolcisa kniete vor ihr in hastigen, sich übereilenden Gebeten.
    »Sie ist tot!« rief sie, sich umwendend, und etwas wie ein wirklicher Schmerz lag in der tränengedämpften Stimme. »Sie war keine Sünderin wie ich, sie ist als Jungfrau gestorben.«
    Zitternd trat ich näher. Dolcisa ließ den Blick über die Leiche gleiten, deren prachtvolle weiße Formen halb entblößt vor uns lagen.
    »Sie war viel schöner als ich«, seufzte sie und es schien, als wolle sie durch dieses plötzliche Geständnis bei der Toten irgend etwas zu ihren Lebzeiten Versäumtes wiedergutmachen. Sie drückte der Schwester die Augen zu und wollte die abstarrenden Arme an den Leib legen. Da bemerkte sie, wie es zwischen den zusammengekrampften Fingern

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