Haschisch
Phantasie, Mut und Gewandtheit, unerhörte seelische Schauspiele in andern Personen hervorgerufen werden, Schauspiele, die womöglich ihre Schatten bis ins Jenseits werfen würden – eine Art Fopperei mit Perspektiven in die Ewigkeit. Die Reihe der Todsünden wird leider fast täglich in unserer Nähe erschöpft. Hier erschlägt einer im Jähzorn die Geliebte, einem andern erweckt eine klägliche Wissenschaft den Hochmut der Gottähnlichkeit, ein dritter überfrißt sich, und wie die Missetaten phantasieloser Leute nur immer heißen mögen. Nur einen Frevel gibt es, dem die Kirche dadurch eine Sonderstellung anweist, daß sie erklärt, er könne nie vergeben werden. Die Priester behaupten sogar, Gott lasse ihn kaum zu: die Sünde wider den Heiligen Geist. Die jungen Leute, von denen ich erzählen wollte, konnten sich daher gar nichts Geheimnisvolleres, Sehenswerteres vorstellen als das Geschehen dieser unerhörten Sünde. Sie wollten vor allem wissen, ob sie überhaupt möglich sei, wie sie sich vollziehen würde, ob Gott dazwischenträte, ob der Weltlauf stillstünde, oder ob sich vielleicht gar nichts ereignete.
Die Sünde wider den Heiligen Geist besteht einfach darin, daß man ihn beleidigt, das Heiligste lästert. Dazu gehören drei Bedingungen: der Wille, das Bewußtsein und die Kraft des Lästerers. Er muß den höchstmöglichen Frevel begehen wollen, muß wissen, wen er beleidigt und was er damit wagt, also den Glauben haben. Er muß durch die Kraft seines Willens, seiner Werke imstande sein, Gott überhaupt zu treffen. Seine Schmähungen dürfen nicht wie das Gebell eines bösen kleinen Hundes abprallen. Außer von Satan selbst, der, wie man weiß, früher der schönste der Engel war und sich jetzt in beständiger Empörung gegen den Heiligen Geist befindet, kann die Sünde eigentlich nur von einem Heiligen begangen werden, der die im Dienste Gottes erworbene Kraft des Gebetes, des Glaubens, der Berge versetzt, plötzlich gegen Gott selbst wendet.
Man suchte zunächst nach einem geeigneten Opfer. Es fanden sich eine Anzahl Jungfrauen, deren Reinheit sogar Wunder hervorbrachte. Aber es erwies sich, daß ihre Tugend, ihr Glaube doch nicht viel mehr war als der Mangel an Gelegenheit zum Fall. Wenn sie auch Gott lebendig in sich fühlten, so waren ihnen die Kniffe und Schliche Satans fast unbekannt.
Schließlich dachte man an die vierzehnjährige Teresa Alicocca, die Tochter einer Kurtisane. Ihre Mutter hatte seit der Geburt des Kindes keine peinigendere Sorge gehabt, als daß es einen ähnlichen Weg wie sie gehen würde, und wenn auch an ihr selbst nichts mehr zu verderben war, so übergab sie doch die Tochter der strengsten Erziehung in einem Kloster der Karmeliterinnen. Man hätte von ihr nicht mehr erfahren als von den anderen Zöglingen, wenn sie nicht schon in so frühem Alter beständig von den Priestern als leuchtendes Beispiel für das Wunder der Substitution gepriesen worden wäre, worin sich ja auch Teresas namensverwandte Schutzpatronin bekanntlich ausgezeichnet hat. Mit Gebeten und Kasteiungen war es ihr nämlich – durch Vermittlung der heiligen Teresa – gelungen, dem Bösen gegenüber an Stelle ihrer Mutter zu treten, sich ihr zu substituieren: sie ging freiwillig den Dämonen der Wollust und der Geldgier entgegen, die es eigentlich auf die Mutter abgesehen hatten. Während diese fortgesetzt, trotz ihres Glaubens, den satanischen Strömungen erlag und sich mitreißen ließ, wußte Teresa solche Ausflüsse der Hölle von nun an auf sich zu lenken und sie zu überwinden. Die Folge war, daß die Mutter – zu ihrer eigenen Verwunderung – auf einmal imstande war, die Versprechungen zu halten, die sie immer wieder im Beichtstuhl machte. Sie begann ein bußfertiges Leben zu führen und dankte dem Himmel, der ihr von der Frucht ihrer Sünde selbst die Gnade hatte kommen lassen.
Niemand konnte den jungen Leuten zu ihrem Vorhaben geeigneter erscheinen als Teresa Alicocca. Sie fühlte und sah nicht nur Gott, sondern auch die Fallen Satans waren ihr, die nie gesündigt hatte, bekannt. Die Kraft zu der großen Sünde besaß sie zweifellos. Wenn man sie ohne Berauschung dazu bringen könnte, würde sie auch das Bewußtsein haben. Es handelte sich also darum, die dritte Bedingung in ihr zu schaffen, den Willen, den Heiligen Geist zu lästern.
Den jungen Leuten wurde es nicht sehr schwer, sich Teresa zu nähern, da sich unter ihnen ein Priester befand, Fray Tomas de Leon, der im geheimen dem
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