Haschisch
Satanismus ergeben war. Durch ihn hatten sie überhaupt Genaueres über Teresa erfahren. Der Geruch der Frömmigkeit, in dem er stand, verbunden mit einem ungemeinen Scharfblick in die menschliche Seele, hatte die Karmeliterinnen veranlaßt, ihn zu ihrem Beichtvater zu erwählen.
Er wußte, daß Menschen wie Teresa nie mit sich zufrieden sind, daß sich immer wieder Falten ihres Bewußtseins öffnen, in denen kleine Vorwürfe, Zweifel, Mahnungen an Unterlassenes liegen. Kluge, wohlwollende Priester pflegen daher solchen Beichtkindern die eingehende Gewissensprüfung zeitweise zu verbieten. Fray Tomas dagegen verstärkte diese selbstquälerischen Stimmen, indem er fragte, ob sich Teresa auch ganz frei von der Todsünde des Hochmuts fühle, ob sie sich nicht bisweilen für eine Heilige halte, da sie sogar die Missetaten anderer auf sich nehme. Die Substitution sei zwar eines der gottgefälligsten Werke; war aber Teresa wirklich rein und demütig genug? Indem der Priester täglich den Finger in die zuerst leichte Wunde legte, gelang es ihm, in Teresa eine unsägliche Verwirrung zu schaffen.
Ob nicht die Bekehrung der Mutter als Beweis für die Reinheit ihrer Gebete gehalten werden könne? wagte sie schüchtern einzuwenden. Das könne Teufelswerk sein. Was verschlüge es dem Bösen, daß eine Hure, der er sicher war, einige Zeit züchtig lebte, wenn er dafür eine Jungfrau durch die Todsünde des Hochmuts fangen könne?
Teresa wurde nun so unsicher, daß sie tagelang die Substitution nicht wagte. Sie bat sogar Gott, nicht mehr Anfechtungen über sie ergehen zu lassen, als er ihr in seinem gerechten Zorne zugedacht hatte. Als der Priester so ihre Kraft gebrochen sah, fragte er sie, ob sie jetzt nicht in den entgegengesetzten Fehler verfallen sei? Ob sie, die vielleicht doch eine Erwählte war, nicht aus Kleinmut und Trägheit auf das Wunder verzichte, sie, die aus bloßer Kindesliebe alles tun müsse, um die Seele der Mutter zu retten. Teresa wollte von neuem die Substitution versuchen, aber wenn sie vor dem Heiland kniete, fühlte sie, daß ihre ängstlichen, zerrissenen Gebete keine Kraft mehr hatten. Eine wahnsinnige Angst vor dem Teufel erfaßte sie. Von ihren eigenen Sünden gepeinigt, vermochte sie das Wunder nicht mehr zu erfüllen. Ihre Unreinheit wurde ihr immer mehr bewußt. Hatte sie nicht manchmal gejauchzt, ein Weib zu sein, weil sie darum den Heiland viel inniger lieben konnte? Sie war ja eine schlimmere Dirne als die Mutter, die der Schwachheit des Fleisches unterlag und dann reuig zur Madonna floh. Sie aber trug die Gemeinheit ihres Geschlechts an den Altar, sie vermengte ihre Wollust mit den Gebeten. Ihre Ekstasen, die sie für ein Vorgefühl der ewigen Seligkeit gehalten, erwiesen sich als Schändungen Gottes; die Stimmen der Heiligen, die sie zu vernehmen glaubte, waren die Schmeichellaute der schwelgenden Sinne. Sie hatte wider den Heiligen Geist gesündigt. Diesen Seelenzustand beichtete sie dem Priester, der sich jedoch mit dem Erfolg noch keineswegs zufriedengab. Er sah, daß die Sünde wider den Heiligen Geist vorläufig nur in Teresas gequälter Einbildungskraft bestand. Zunächst bestärkte er sie in ihrem Irrtum.
»Diese fehlerhaften besudelten Gebete«, erklärte er, »sind freilich schlimmer als die eingestandene Gottlosigkeit. Der offene Unglaube ist unfruchtbar, dumm, ohnmächtig. Aber solche fiebernde Gebete erhalten durch die brünstig erregte Seele immerhin eine gewisse Macht. Sie sind zwar nicht lauter und kräftig genug – wie das reine Flehen der unbefleckten Herzen –, sich mit dem ewig aufsteigenden Gebetsstrom der Christenheit zu vereinen und so den Beter unaufhörlich mit der allgemeinen unsichtbaren Kirche zu verketten, die ihn trägt und schützt, in deren Schoß ihn die Anfechtungen Satans unbekümmert lassen. Solche Gebete haben aber wohl die Macht, Sonderströme zu schaffen, die, von dem Hauptgebetsstrom abgestoßen, wieder zu dem Beter zurückkehren, ihn mit ihrer Unreinigkeit wie mit heißen Händen umschlingen, seine Zelle wie mit Spinnweben verdunkeln, ihn unter den Larven seiner eigenen unheiligen Gedanken erdrücken, bis er in seiner Sündigkeit erstickt.«
Fray Tomas erreichte durch diese Erklärung, daß Teresa die Einsamkeit ihrer Zelle nicht mehr ertrug. In der Luft schienen die flüchtigen Spiegelbilder ihrer Sünden zu schwirren. Ihr war, als sei das Gewebe, das der Böse um sie geschlungen, so dicht, daß ihre aufrichtigsten Gebete nicht mehr
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