Haschisch
Knie.
»Steh auf, steh auf, rief Teresa, »ich darf dir nicht glauben – ich zittere, eine Erwählte zu sein – eine andere wird kommen. Nur sage mir – ich beschwöre dich –, was kann ich tun, um die Mutter vor der Verdammnis zu schützen?«
Der Priester erhob sich.
»Wie Christus eine Spanne Zeit auf Erden wandelte, so wirst du in der Hölle eine Frist der Verdammnis erfüllen und mit den verstocktesten Sündern dich und die Mutter erlösen.«
»Was kann ich dazu tun?« fragte Teresa zitternd.
Und unerbittlich fuhr Fray Tomàs fort:
»Nur wer von einem Weibe geboren wird, kann einen irdischen Leib erlangen; nur wer die große Sünde begeht, die nie vergeben werden kann, wird zur Hölle fahren.«
»Die Sünde wider ...?« stotterte Teresa.
»So ist's, die Sünde, die Christus nicht begehen konnte, vor dessen Göttlichkeit sich darum die Hölle verschloß. Glaubst du, daß er überlegte, als er Mensch wurde, ob er seine Göttlichkeit einbüßen müsse? Und du setzest nur dein Menschentum aufs Spiel. So wie die Unreinheit der Empfängnis von Maria genommen wurde, so sollst auch du von deiner freiwilligen Sünde nicht befleckt werden.«
Ohne auf Antwort zu warten, ging Fray Tomàs von dannen. Teresa lag die ganze Nacht in Tränen auf den Steinfliesen der Kirche und flehte um Erleuchtung. War es Mangel an Demut, wenn sie manchmal jubeln wollte, vielleicht doch die Erwählte zu sein?
Am nächsten Tag brachte Fray Tomàs die Nachricht, Teresas Mutter sei von einer Gesellschaft junger Schwelger durch Gold bewogen worden, in einer der kommenden Nächte nackt, nur mit maßlosem Schmuck bedeckt, vor ihnen als Salome zu tanzen. Man wollte ihr aus Wachs einen Johanneskopf anfertigen lassen. Sie selbst aber, die sich seit einer Woche vor Gotteslästerungen nicht zu halten wisse, habe im geheimen den Auftrag gegeben, man solle nicht das Johannesantlitz in Wachs gießen, sondern die wohlbekannten Züge des dornengekrönten Christus in der Kapelle der heiligen Ignazia. Warum habe ihr Gott die Tochter mit ihren kräftigen Gebeten entrissen, soll sie gerufen haben, nun sei es seine Schuld, wenn sie sich dem Satan ergebe. – Zweifellos – meinte der Priester – habe sie eine entsetzliche Schändung des Jesushauptes vor, die Sünde wider den Heiligen Geist.
Teresa fiel kraftlos zu Boden.
»Erkennst du den Fingerzeig Gottes, meine Tochter?« sagte Fray Tomàs: »mahnt er dich nicht selbst, daß jetzt die Stunde gekommen ist, wo du freiwillig der Mutter Sünde auf dich nehmen sollst, die dir allein die Hölle öffnet, auf daß sie nimmer geschlossen werde, nachdem du alle Verdammten erlöst hast?«
»Ich verstehe dich nicht.«
»Glaubst du, daß Gott oft diese Sünde erlaubt? Heute, im Augenblick, wo du deine Berufung erfüllen sollst, will er sie zulassen in deiner nächsten Nähe, an deiner Mutter, die du ohnehin vor dem Bösen zu vertreten gewohnt bist? Sollen mehr Fäden in einem Knoten zusammentreffen? Das Laster der Mutter, deine Sehnsucht, sie zu retten, waren nur Fingerzeige für dein hohes Werk. Selten enthüllt sich Gottes Wille so klar. Mit einem Trank will ich deine Mutter an dem verfänglichen Abend in Schlaf versenken. Du aber wirst, angetan mit dem Schmuck, den die reichsten Jünglinge der Stadt zusammentragen, den Tanz vollführen. Du wirst die Sünden der Verdammnis tanzen: den Hochmut, die Trunkenheit, die Wollust an der Kreatur, du, die du demütig, nüchtern und keusch bist. Freiwillig wirst du Gott verfluchen, das Christushaupt bespeien und den Satan brünstig lachend um die Lust der ewigen Verdammnis anflehen, auf daß sich die Tore der Hölle vor dir öffnen und du alle Verdammten – unter ihnen aber deine Mutter – zum Himmel führest.«
Teresa wand sich verzweifelt am Boden, während den Priester das Vorgefühl dieses Schauspiels bis zum Taumel erregte.
»So nimmst du alle Sünden der Zukunft vorweg durch die größte, die je begangen werden kann. Im Augenblick aber, wo der Satan lüstern den Arm nach dir streckt, um dich zur Königen der Hölle zu erheben, wird er im eigenen Lager geschlagen, gefangen in seinem Netz. Durch deinen menschlichen Leib wird dann Gott ein schreckliches Mal geruht haben, sich des Betrugs zu bedienen, dessen Verkörperung Satan ist. So wird – als letztes Mysterium! – der Teufel durch sich selbst vernichtet, der Betrüger betrogen, die Sünde ist für immer tot. Das aber wird das Werk der heiligen Teresa Alicocca sein, und die himmlischen Heerscharen, die
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