Haschisch
hat!«
Plötzlich fiel die Orgel in wilden Rhythmen ein. In den halbdunklen Ecken der Kirche schlugen vermummte Männer heilige Gefäße wie Becken und Zimbeln aneinander. In entsetzlichem Gemisch mit der Feierlichkeit ertönte das barbarische Geräusch von Tamburinen, und trunkene Weiberschreie drangen hinter den geblähten Vorhängen der Beichtstühle hervor.
»Tanze, tanze!« schrie der Priester voller Ungeduld und schien die Zögernde, die sich unter der Last der Geschmeide kaum zu bewegen wagte, durch springende Schritte ermutigen zu wollen. Und langsamen, schüchternen Ganges, beladen mit den Freveln der Welt, bewegte sich Teresa Alicocca über den Teppich, den Kopf des Heilands auf einer Schale tragend. Aus den Ecken, wo sich Männer und Frauen schaugierig drängten, sprangen nun plötzlich die jungen Leute, des Priesters Freunde, hervor. Mit Fackeln und bloßen Schwertern im Arm tanzten sie jauchzend um den Teppich.
»Wilder, toller!« riefen sie der Ängstlichen zu. »Du mußt uns alle erlösen, aber unsere Sünden sind noch brennender, empörender, räuberischer, als dein Tanz. Du mußt verruchter tanzen, als unsere Missetaten sind, die gen Himmel schreien. Nur so kannst du uns zum Heile sein!«
Während die Wut der Orgel niederdonnerte, ließ sich Teresa zu immer wilderem Tanze treiben. Sie warf die Schale mit dem Haupte von sich und fand in plötzlicher Erleuchtung die versonnensten Gliederkrümmungen der asiatischen Tänzerinnen. Sie bot ihren Schoß offen der Kerzenhelle dar und entriß ihm mit gewaltiger Gebärde die Blume ihres Jungfrauentums, so daß ihr weißer Körper über die roten Rubinen blutete.
»Eine blutende Hostie des Satans!« rief Fray Tomàs verzückt. Sie aber heulte auf vor Schmerz und stürzte sich auf das wächserne Haupt vor ihren Füßen, umschlang es, wie den Kopf eines Tänzers, krallte die Zähne hinein, ihre Qual zu verbeißen.
Und sie tanzte die Sünden der Hölle!
»Küß ihn«, rief ihr der Priester zu. Willenlos tat sie nun alles, was er befahl. »Verspotte ihn, spei ihn an, wirf ihn hin, tanze drüber weg, zertritt ihn, zermalm ihn – lästere die Dreieinigkeit – rufe zu Satan!«
Und gebeugt von der Last der Sünden der Verdammnis schrie Teresa Alicocca: »Satan, Lucifer, Adonai!«
»Was willst du?« ertönte eine dumpfe Stimme aus der Krypta.
»Nimm mich in die ewige Qual!« stöhnte Teresa.
»Und Gott? – Glaubst du an ihn?«
»Ich glaub' an ihn, ich fühle seine Majestät, aber dennoch schreie ich mich von ihm los – dein will ich sein!«
»Bist du willens, den Heiligen Geist zu schmähen?«
»Tat ich's nicht schon?« rief sie atemlos.
»Willst du Lucifers Beischläferin sein, der Gott kennt und ihn darum haßt?«
»Ich sehe Gott«, schrie Teresa ekstatisch, »und will doch deine Dirne sein, Satan!«
In diesem Augenblick sprangen die jungen Leute mit Dolchen bewaffnet auf den Teppich.
»Schnell ... schnell ...«, gebot Fray Tomàs, »ehe sie bereuen kann, ehe sie das große Werk zerstört!«
Und im Nu stürzten sie auf das verzückt dahintanzende Weib ein. Sechs Dolche staken in Teresas Leib – im Herzen, im Nacken, im Bauch, in den Lenden, in der Scham – aber keiner schien sie verwunden zu können. Gefühllos tanzte sie weiter, wie eine Nachtwandlerin. Sechs Dolche umstarrten sie, als gehörten sie zu ihrem maßlosen Schmuck.
»Sie fühlt nichts mehr«, entfuhr es einem erschrocken. Mit einem Messer schnitt er in den Arm der Tanzenden, ohne daß Blut floß. Langsam fielen die Dolche wie reife Früchte von ihr ab.
Das Leben stand scheinbar still im Augenblick fessellosester Entladung. Die Fülle des Rausches war plötzlich aus den Seelen geschnellt. Leer – gebrechlich – standen die Ernüchterten da und wußten kaum im plötzlich erstarrten Geist die Züge des entflohenen Phantoms, das ihnen Leben geschienen, zurückzuhalten. Sie schämten sich zu reden. Sie fühlten, wie kläglich ihre Stimmen jetzt klingen mußten.
Stöhnen, Heulen riß sie aus ihrer Erstarrung. Entsetzt sahen sie, wie sich Fray Tomàs de Leon am Boden wand. Er bohrte die Blicke, klammerte seine Hände an ein Kruzifix und schrie. Man beschwor ihn um Erklärung. Er aber wagte nicht emporzublicken, die Augen abzuwenden vom Gekreuzigten. Mit der Hand nach der Decke deutend brüllte er wie ein zu Boden geschlagenes Vieh: »Gott ... Gott ...!«
Er bellte den Namen Gottes durch das Gewölbe.
»Gott läßt die Sünde wider den Heiligen Geist nicht geschehen! Derweil ihr
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