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Haschisch

Haschisch

Titel: Haschisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar A. H. Schmitz
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mir plötzlich gleichgültig und dumm vor. Die Menschen, die mir begegneten, schienen geradezu sinnlos, alle blaß und übermüdet. Weshalb? Für ein Vergnügen etwa? So sahen sie gar nicht aus. Sie gehen nun einmal erst morgens zu Bett, haben Maitressen, die sie nicht lieben, und bezahlen für alles mehr, als es wert ist, werden krank, wahnsinnig, verarmen. Warum? Keiner weiß es, sie selbst wissen es am wenigsten. Viele Dirnen huschten trübselig an mir vorbei. Sie waren übernächtigt, blickten sich kaum um. Da fiel mir wieder die erste ein, die mich angesprochen hatte. Sie war die verkörperte Zwecklosigkeit, die Blödsinnigkeit dieses dummen Stadtlebens. Ich war wenigstens müde und freute mich auf den Schlaf. So kam ich vor mein Haus. Im Augenblick, wo ich die Haustür zuwerfen wollte, schlüpfte jemand hinter mir herein.
    »Inkubus«, murmelte eine Stimme. Von diesem Augenblick an fühlte ich mich nicht mehr selbsthandelnd. Ich wurde von außen gedrängt. Eine Lähmung, wie sie uns im Traum überkommt, hinderte mich, den Eindringling hinauszuweisen öder den Hausmeister zu rufen. Von rückwärts wurde ich die Treppe hinaufgeschoben, bis ich vor der Tür meines Arbeitszimmers stand. Wie jede Nacht zündete ich mechanisch die Lampe an. Dann sank ich erschöpft auf die Chaiselongue. Das Wesen setzte sich mir gegenüber. Ich erkannte dieselbe Dirne, die mir zuerst auf der Straße den Weg versperrt hatte. Das sinnlose Elend, das sich mir draußen über die Nerven gelegt, war in mein Zimmer getreten.
    Sie suchte mich mit vielen Gründen zu überzeugen, daß sie dableiben und ich ihr ein gutes Geschenk machen müsse. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt antwortete. Sie schalt, nicht sehr erregt, meine niedrige Gesinnungsweise und suchte dann wieder durch alberne Schmeichelworte meine Geneigtheit.
    »Stelle dich nicht wie ein Kind an«, sagte sie, »das weißt du doch, alle Menschen müssen solche Beziehungen zum Tod unterhalten. Der Willenlose hat dort einen gewalttätigen Herrn, der Ehrgeizige neidische Nebenbuhler, der Egoist bösartige Kinder. Du sollst nur eine Geliebte haben, die du mit deinem Blute wärmen mußt. Jeder nach seinem Temperament oder nach seinen Sünden, wenn ich mich ein wenig altmodisch ausdrücken darf. Denke doch an die Freunde, mit denen du den Abend verbracht hast. Glaubst du, daß sie keinen ungeladenen Gast daheim finden, der von ihnen Rechenschaft, Versprechungen, Verzichtleistungen – weiß der Teufel, was – verlangt. Dich hat man bisher unbegreiflicherweise vergessen. Nun komme ich, die Steuer an inneren Leiden zu fordern, die du dem Tod dafür schuldest, daß er dich noch leben läßt. Um dich nicht zu erschrecken, näherte ich mich dir draußen. Du siehst, wie ich dir die Pille versüße. Du hättest mich, wenn ich gewollt, ebenso gut auf deinem Bette sitzend finden können. Denke dir einmal, wie du da überrascht gewesen wärest.« Sie lachte heiser. »Du siehst, ich bin bequem zu ertragen. Auch Eifersucht ist mir fremd. Weißt du, eigentlich bist du noch ein Kind, da du heute zum ersten Mal bewußt solch einen Besuch empfängst. Morgen wirst du kein Kind mehr sein. Gib nur acht, wie anders, wie viel verwandter dir morgen die Menschen vorkommen werden. Die Hälfte deines Hochmuts wird verschwunden sein. Und sie werden dir mehr trauen. Bisher haben sie gefühlt, daß du nichts vom Tod wußtest. Ist es nicht so? Das wird sich ändern. Nun hast du wenigstens etwas mit ihnen gemein.« Sie schaute im Zimmer umher. »Übrigens, ohne daß du sie erkanntest, müssen doch viele Boten des Todes gleich mir hier durchgekommen sein, um diesen durchdringenden Leichengeruch hervorzurufen.«
    »Keine, verfluchtes Tier!« schrie ich ihr entgegen. »Du bist die erste, die diese Räume besudelt.«
    Aber die blecherne Stimme klirrte unaufhaltsam weiter. Meine einzige Hoffnung war, daß alles nur ein Traum sei.
    »Deine Verbrechen sind ja eigentlich ziemlich harmlos, ich brauche sie dir wohl nicht erst zu nennen ... Kindereien! Dafür bleiben dir auch die viel schrecklicheren Besuche erspart, die nachts den duckmäuserischen Bürger, den satten Berufs- und Geldmenschen quälen. Was die nachts erleben, das werde ich dir gelegentlich einmal erzählen. Überhaupt, weißt du, wir können behaglich zusammen plaudern. Deinesgleichen ist wirklich die amüsanteste Art zugefallen, mit dem Tod in Beziehung zu treten. Übrigens noch eins, daß ich es nicht vergesse: Du brauchst deshalb noch lange nicht zu sterben,

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