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Haschisch

Haschisch

Titel: Haschisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar A. H. Schmitz
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mein Besuch hat damit nicht das geringste zu tun. Ich bringe nur die Botschaft, daß die allererste, gedankenlose Jugend für dich verrauscht ist.«
    Ihre Stimme war allmählich ein wenig wärmer geworden, als ob sie Mitleid mit mir habe.
    »Hast du immer noch Angst vor mir? Weißt du, wer die andern waren, von denen du nicht das Geringste wußtest, die du einst um Mitternacht in dein Haus brachtest und neben dich legtest, wie eine gute alte Geliebte? Wußtest du vielleicht, woher die kamen und wohin sie gingen? Wußtest du, welcher Sarg tagsüber ihre Wohnung war, ehe sie zu dir kamen und nachdem sie dich verließen? Bist du ihnen morgens je einmal gefolgt? Nichts wußtest du von ihnen, und doch hattest du keine Furcht. Und nun erschrickst du vor mir? Was bin ich denn anders, als jene? Weißt du weniger Gutes oder mehr Böses von mir?«
    »Ich sage dir, daß noch keine diese Schwelle betrat.«
    Sie brach in ein furchtbares, gar nicht einmal sehr lautes hölzernes Lachen aus. »Du bist ein Kasuist, mein Freund, du weißt wohl, daß ich nicht von Fleisch und Blut rede. Denke doch bitte einmal an deine Phantasien, an deine geheimsten Gedanken; wie Spinnweben hängen die hier an allen Möbeln herum. Es ist lächerlich, mir etwas vorlügen zu wollen. Ich weiß, mit wem du dich schlafen legst, mit wem du dich hier ganze Nachmittage unterhältst. Willst du dir etwa das Vergnügen machen, dich von mir wie ein Knabe verführen zu lassen? Dazu bist du zu alt und ich zu klug. Ich denke, wir machen das lieber wie gute alte Freunde, ohne uns gegenseitig etwas vorzulügen.«
    Ich sah, wie sie aufstand und Holz in den Kamin legte, als ob es ihr eigener Herd wäre. Am Feuer entkleidete sie sich und warf ihre zerschlissenen Kleider auf den Boden. Ich schloß die Augen, als ich den schwammigen schlaffen Körper sah. Dann muß ich wohl eingeschlafen sein.
    Als ich aufwachte, schien der blasse Wintermorgen in mein Zimmer. Ich war überrascht, mich im Anzug auf der Chaiselongue meines Arbeitszimmers zu befinden. Die umherliegenden schmutzigen Frauenkleider riefen mir plötzlich das Geschehnis der Nacht in die Erinnerung zurück. Ich sprang auf und eilte nach der Tür des anstoßenden Schlafzimmers. Da lag das fette, aschfahle Weib in meinem Bett. Ein nackter Arm hing wie tot auf den Boden herab, der geöffnete Mund röchelte. Eine unaussprechliche Wut wallte in mir auf. Ich zerrte sie aus dem Schlummer. Schlaftrunken rief sie mir ein Wort der Straße zu und brummte, weil ich sie weckte.
    »Hinaus ... fort ...«, schrie ich.
    Halb erzürnt, halb erstaunt kleidete sie sich in träger Bosheit an, indem sie meinem Drängen fortwährend mit groben, gereizten Ausdrücken antwortete. Es ward mir fast wohl, als ich sie so schimpfen hörte, das war doch wenigstens begreiflich. Ich riß sie aus dem Schlaf, und sie schimpfte. Gut, das ließ man sich gefallen, das war logisch. Aber sonst, das andere war ja unfaßbar, daß sie hier war, in meinem Bett lag.
    Schließlich wollte ich sie zur Tür hinausschieben, aber da hätte man sehen sollen. Im Tiefinnersten verletzt und geradezu entseelt vor versteinerndem Staunen, rief sie aus:
    »Und die zwanzig Francs ... wie? ... Hast du mir nicht versprochen? ... Du Schmutzkerl ... glaubst du vielleicht, daß mir deine Nase so gut gefallen hat?« Kaum hatte sie das Geldstück in der Hand, als sie schmeichelnd einlenkte: »Sei nicht böse, mein Wölfchen, ich wußte ja nicht ...«
    Sie ging. Halb ohnmächtig fiel ich nieder.
    Ich besann mich, wo und in welcher Zeit ich mich eigentlich befand.
    Dann trat ich vor den großen Spiegel über dem Kamin. Das ganze Zimmer spiegelte sich darin, aber ich sah mich nicht. Ich klopfte an das Glas, betastete meinen Kopf, meine Glieder, sie fühlten sich an wie sonst. Aber ihr sinnlicher Schein war fort.
    »Das Frauenzimmer hat ihn mitgenommen, sie hat mich gestohlen«, rief ich aus, »das ist ja zum Tollwerden. In was für Löchern mag die mich nun herumschleppen!«
    Plötzlich wurde ich ruhiger. Mir fiel ein, daß dieser Spiegel noch aus dem Jahr 189* war, seitdem doch viele Jahre vergangen sein mußten. Was hatte ich indessen alles erlebt! Kein Wunder, daß ich mich nicht darin sah. Doch da kam ein neuer quälender Gedanke.
    Ich kannte ja niemand in der neuen Zeit. Plötzlich fiel mir der Graf von Saint-Germain ein, der lebte ja in allen Zeiten zugleich. Der war überhaupt an allem schuld. Er hatte übrigens gesagt, ich sollte ihn besuchen. Vom Fenster aus pfiff ich einem

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